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Lesen, was drinsteht — rausholen, was drinsteckt: Wie blinde Computernutzer sich PDF-Dokumente zugänglich machen geschrieben von Oliver Nadig (2005)

Dieser Beitrag wurde von Oliver Nadig in Oktober 2005 verfasst. Die vorliegende Fassung ist die Version 1.02 vom 25.1.2006.

6.1 Die sieben Versionen des PDF

"Vielleicht hat Sie der folgende Satz aus Abschnitt Abschnitt 5.3 etwas irritiert: 'Die derzeit aktuelle Version 3.01 von PDFToText unterstützt die neueste Version 1.6 von PDF noch nicht direkt.' Dass Programme in Verschiedenen Versionen vorliegen, mag Ihnen einleuchten, aber dass Dokumentformate wie das PDF in mehreren Versionen existieren, mag Ihnen zunächst befremdlich erscheinen – ist es aber nicht, denn genau wie Programme, so werden auch Dateiformate stets weiter entwickelt.

Die derzeit aktuelle PDF-Version aus dem Jahre 2004 ist '1.6', aber beginnen wir chronologisch:

"Sieht ja so aus, als ob die Firma Adobe Systems gerade in den letzten beiden Jahren große Anstrengungen unternommen hätte, PDF-Dokumente für uns Blinde leichter handhabbar zu machen."

"Das stimmt, und man sollte dies lobend anerkennen. Leider ist das aber nur die eine Seite der Medaille: Schlecht produzierten PDF-Dokumenten ohne Tags – und davon gibt es unzählig viele – stehen ein noch so zugänglicher A.R., ein noch so leistungsfähiger Screenreader und ein noch so gut geschulter blinder Computernutzer machtlos gegenüber."

"Dann muss man bei den PDF-Autoren also noch eine Menge Aufklärungsarbeit leisten!"

"Richtig! Bis vor Kurzem galt außerdem, dass Software, mit deren Hilfe Tagged PDF erzeugt werden kann, sehr teuer ist, denn dazu waren einzig und allein Produkte der Firma Adobe selbst in der Lage. Mittlerweile ist jedoch die Version 2 des kostenfreien Textverarbeitungsprogramms OpenOffice erschienen – und dieses Produkt scheint den Adobe-Programmen hinsichtlich der Fähigkeit, barrierefreie PDF-Dateien zu erzeugen, ernsthafte Konkurrenz machen zu können. In der Zeit vor OpenOffice 2 war es aber kein Wunder, wenn Autoren immer wieder auf schlechtere, dafür aber kostenlose PDF-Erstellungsmethoden zurück griffen."

"Bei so vielen verschiedenen PDF-Versionen stellt sich mir natürlich sofort die Frage: Sind die denn untereinander kompatibel?"

"PDF ist aufwärts-, aber leider nicht zwingend abwärtskompatibel. Jede neuere Version des Adobe Readers kann Dokumente aus älteren PDF-Versionen anzeigen. Jede neue Version der Acrobat-Produkte ist auch in der Lage, Dokumente in älteren Versionen zu erzeugen. Umgekehrt ist eine fehlende Abwärtskompatibilität natürlich vor allem in den für uns Screenreader-Benutzer sensiblen Bereichen der Tags und der Lesbarkeit von geschützten PDF-Dokumenten sehr ärgerlich. Es kann leider passieren, dass ein Dokument, welches mit einem Acrobat-Produkt der Version 6 mit Tags versehen wurde, mit der Version 5 des Acrobat Readers nicht richtig angezeigt wird, da die Tags nicht ordnungsgemäß erkannt werden. Leider ist bezogen auf Tags in der Praxis auch fehlende Aufwärtskompatibilität beobachtet worden: Ein mittels A.A.5 'getaggtes' Dokument ließ sich mit dem A.R.7 nicht mehr ordnungsgemäß anzeigen. Ein mit 128-Bit stark verschlüsseltes PDF-Dokument kann mit A.R.-Versionen kleiner als fünf gar nicht geöffnet werden. Auf Dokumentverschlüsselung und Sicherheitseinstellungen kommen wir in Abschnitt 6.2 Verschlüsselt und versiegelt? — Die PDF-Sicherheitseinstellungen zu sprechen.

Die ständige Fortentwicklung des PDF hat natürlich zur Folge, dass Umwandlungsprogramme wie PDFToText, GhostScript oder GSView zwangsläufig hinterher hinken und – wie dies augenblicklich bei PDFToText der Fall ist – nur die zweitaktuellste PDF-Version unterstützen."