Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Das Internet hören und fühlen geschrieben von Niki Slawinski (2005)

Gesamtanalyse

Das Ziel der empirischen Studie war, die im Rahmen des erweiterten GS/GO-Modells theoretisch behandelten Aspekte zu überprüfen und in Relation zu bringen. Bei der Gesamtanalyse gehe ich die Aspekte systematisch durch und erläutere die Rolle der Anforderungen der BITV.

Technische Ausstattung und persönliche Fähigkeit als Barrieren

Zunächst gehe ich auf die in dem GS/GO-Modell enthaltenen Aspekte "technische Voraussetzungen" und "persönliche Fähigkeiten" ein. Die Gruppenbefragung hat bestätigt, wie wichtig es ist, als blinder Internetnutzer technisch gut ausgestattet zu sein. Ohne Screenreader und Braillezeile bzw. Lautsprecher können blinde Schüler das Internet nicht nutzen. Bei den Screenreadern gibt es noch Unterschiede zwischen Produkt und Versionen (Philip und Sven, Gruppeninterview Soest 2,). Wichtige Produkte sind Jaws und Virgo. Die meisten der befragten Schüler benutzen Jaws. Eine Braillezeile koste, je nach Ausstattung und Zustand, 4.500 bis 12.000 Euro (Philip, Sven und Tom, Gruppeninterview Soest 2). Ein wichtiger Impuls für Svens regelmäßige Internetnutzung war, dass zu Hause ISDN und DSL zur Verfügung standen (Sven, Gruppeninterview Soest 2,).

Vor allem dem Fortschritt der Blindenhilfsmittel ist es nach Meinung der Schüler zu verdanken, dass die meisten Seiten heutzutage handhabbar sind. Die technische Ausstattung hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Die aktuellen Versionen der Screenreader können heute mit Flash und anderen Barrieren wesentlich besser umgehen als früher.

Bei Schülern, die privat kein Internet nutzen können oder möchten, sind die persönlichen Fähigkeiten, gut mit dem Internet umgehen zu können, nicht vorhanden. Ein Beispiel ist Nils. Er surfe seit zwei bis drei Jahren im Internet, allerdings nur in der Schule und benötige immer noch Hilfe dabei (Nils, Gruppeninterview Soest 2). Zu Hause habe er aus Kostengründen kein Internet, würde aber gern einen Zugang besitzen. So beherrscht er bis heute nicht das Internet. Nils weiß bspw. nicht, was Flash-, HTML, oder PDF-Dateien sind und kann keine E-Mails schreiben (Nils, Gruppeninterview Soest 2). Auch Boris, der seit über einem Jahr vier Mal im Monat in der Schule surft, schaffe es nicht, sich zu anderen Internetseiten zu klicken (Boris, Gruppeninterview Soest 1).

Interneterfahrung und Internetnutzung
  Gruppe "Kaum/wenig Interneterfahren"
(Boris, Mustafa, Erkan, Tina, Tom, Nils; sie sind alle aus Soest)
Gruppe "(sehr) interneterfahren"
(Julia, Philip, Sven, Shahira; sie sind alle aus Soest)
Gruppe "sehr interneterfahren"
(Patrick, Simon, Oliver, Daniel, Jonas, Valentin, Matthias, Bernd; sie sind alle aus Marburg)
Alter 13-15 Jahre 15-17 Jahre Jonas (14 Jahre) und sonst 17-21 Jahre
Sehschädigung geburts- bzw. früherblindet geburts- bzw. früherblindet geburts- bzw. früherblindet
Sehreste teilweise ja teilweise ja nein
Seit wann im Internet? (Dauer) seit wenigen Wochen bis zu 3 Jahren seit ein paar Monaten bis zu 5 Jahren seit 2-6 Jahren
Wie oft? (Intensität) wöchtenlich im Schulunterricht; nur Mustafa hat zu Hause Internet mehrmals wöchentlich in der Schule und privat mehrmals täglich bis mehrmals wöchentlich in der Schule und privat
Zentrale Probleme, welche die Nutzung des Internetangebots verhindern Interverbindung aufbauen, Computer anschalten, Software starten/bedienen, Tastaturbefehle, Überblick über das Internet erhalten, Links anklicken Grafiken, Flash es gibt keine zentralen Probleme

Abb. 12: Interneterfahrung und Internetnutzung aller befragten blinden Schüler. Die zentralen Probleme der Internetanfänger sind außerhalb der BITV zu finden. Es fängt mit dem "Rechner anschalten" an. Die Tabelle lässt schussfolgern: Nicht das Alter der Schüler oder der Zeitraum der Internetnutzung, sondern die Intensität ist entscheidend. Wer das Internet häufig privat nutzt, schult seine persönlichen Fähigkeiten im Umgang mit diesem am besten.

Die technische Ausstattung und deren intensive Nutzung ist also die Grundlage, um die persönliche Fähigkeit, mit dem Internet umzugehen, weiterentwickeln zu können. Diejenigen, die sich eingehend mit dem Internet beschäftigen, können erheblich besser mit diesem umgehen. "Übung macht den Meister", meint Oliver (Oliver, Gruppendiskussion Marburg 1). Wer wirklich am Internet interessiert sei, der würde es zu handhaben lernen. Eine Schwierigkeit sei es, die zahlreichen Tastenkombinationen zu erlernen (Mustafa, Gruppeninterview Soest 1). Die Grundlage für die routinierte Internetnutzung ist, generell mit dem PC und der Hilfsmittelsoftware umgehen zu können. Julia habe bereits lange vor dem Internet mit dem PC gearbeitet und deshalb den Einstieg ins Internet und den Umgang mit den Tastaturbefehlen als nicht so schwierig empfunden (Julia, Gruppeninterview Soest 1). Wer also bereits mit dem PC souverän umgehen kann, hat es bei dem Interneteinstieg leichter.

Die Rolle der Anforderungen der BITV

Die zentralen, generellen Schwierigkeiten sind bei den Internetanfängern zu suchen und liegen außerhalb des Barrierefreien Webdesigns. Der Umgang mit dem PC und der Hilfsmittelsoftware und die Möglichkeit, das Internet intensiv nutzen zu können, stellen die großen Schwierigkeiten dar (siehe oben). So kennen manche Internetanfänger mögliche Probleme wie Flash und PDF-Dateien nicht, weil sie soweit gar nicht kommen. Es gibt nach Auskunft aller Schüler Internetseiten, die durch ungenügende Barrierefreiheit für sie nicht zugänglich sind. Allerdings gehen die sehr erfahrenen Internetnutzer damit ganz anders um.

Die befragten Schüler aus Marburg betonten ausdrücklich, dass sie sich nicht von einzelnen Internetseiten abhängig fühlen. Das führte dazu, dass in den Gruppendiskussionen in Marburg kaum ein "Problem" und damit auch fast kein Aspekt der BITV von alleine angesprochen wurde; vor allem nicht in den ersten Minuten. Im Gegenteil: Auch beim Nachfragen von zentralen Problemen wurde sehr zögerlich die eine oder andere Schwierigkeit beschrieben. Natürlich lässt sich auch nach deren Meinung bei vielen Internetseiten einiges verbessern, aber die meisten Internetseiten kann man bedienen und das ist nach deren Urteil entscheidend. Es wurde stets betont, dass es genügend Alternativen im Internet gibt. Egal, um welchen Internetdienst es geht: Wenn der eine nicht funktioniert, wird per Google nach dem nächsten gesucht. Die Anforderungen der BITV sind sicherlich überwiegend richtig und wichtig. Aber ich schließe aus den Befragungen: Auch wenn einzelne Internetseiten manche Anforderungen nicht erfüllen, ist das Internet insgesamt barrierefrei genug, um von blinden Schülern mit genügend Interneterfahrung genutzt werden zu können.

Die Anforderungen der BITV wurden von zwei Gruppen besonders wenig thematisiert: Den Internetanfängern, da sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben, und den Internetprofis, da deren Meinung nach das Internet genügend Alternativen für Online-Dienste stellt. Die Schüler, die sich von der Erfahrung her gesehen meiner Einschätzung nach in der Mitte befinden, sprachen besonders intensiv einzelne Punkte der BITV an.

Problemthematisierung und Interneterfahrung
  Internetanfänger Interneterfahrene Schüler Sehr interneterfahrene Schüler
Thematisierung von Aspekten, die auch in der BITV genannt werden: nicht thematisiert, da sie mit anderen Problemen kämpfen stark thematisiert nicht thematisiert, da das Internet genügend Möglichkeiten zur Verfügung stellt

Abb. 13: Zusammenhang zwischen Problemthematisierung und Interneterfahrung. Die Internetanfänger thematisierten keine Aspekte der BITV, da sie zu wenig Erfahrung haben. Die Internetprofis gingen kaum auf Probleme ein, da sie ausreichend Erfahrung besitzen, um für sich Alternativlösungen zu finden. Nur für die mittlere Gruppe, die interneterfahrenen Schüler, standen Aspekte, die auch in der BITV genannt werden, im Mittelpunkt des Interesses.

Doch auch, wenn die Aspekte der BITV nicht von allen Schülern thematisiert wurden, sind viele von ihnen sehr relevant. Denn auch, wenn zurzeit das Internet insgesamt gesehen für Internetprofis barrierefrei genug ist, liegt das u.a. daran, dass genügend Internetseiten die Anforderungen der BITV erfüllen.

Den Ergebnissen der qualitativen Befragung nach zu urteilen, scheinen vier Anforderungen der BITV besonders relevant zu sein. Inhaltlich bzw. funktional wichtige Bilder müssen beschriftet werden, damit blinde Schüler erfahren, was dort gezeigt wird (BITV 1.1). Weiterhin sollten Links nicht auf Bildern liegen bzw. so betitelt sein, dass klar wird, wohin der Link führt. Generell, also auch bei Textlinks, ist eine eindeutige Kennzeichnung von Links (BITV 13.1) wichtig, so dass Blinde wissen, wohin sie sich weiterklicken können. Internetseitenbetreiber sollten auf Flash-Dateien möglichst ganz verzichten (BITV 6), da sie für blinde Internetnutzer nicht zugänglich sind. Auch das bestätigen die befragten blinden Schüler. Vor allem, wenn die Flash-Dateien Informationen oder Funktionen besitzen, ist deren Einsatz für blinde Internetnutzer ärgerlich.

Automatische Weiterleitungen und Aktualisierungen (BITV 7) sind erhebliche Barrieren und tauchen vor allem bei Chats und Shops auf. Mit jeder Aktualisierung beginnt der Screenreader erneut beim Seitenanfang zu lesen. Wenn sich ein Chat oder ein Shop alle paar Sekunden aktualisiert, hat der Internetnutzer keine Chance, diese zu nutzen. Auch bei automatischen Weiterleitungen hat der Nutzer keine Kontrolle über die Seite und kann sie deshalb nicht erfassen.

Die folgenden Aspekte werden nur von manchen befragten Schülern als wichtig erachtet bzw. sind nicht von allen Schülern thematisiert worden: Beschriftung von Formulareingabefeldern (BITV 10.2), nebeneinanderliegende Hyperlinks (BITV 10.4), sinnvolle Gruppierung von Elementen im Quellcode (BITV 12.3 und 12.4), klickbares Inhaltsverzeichnis (BITV 13.3), Kennzeichnung von Fremd- und Lehnwörtern und Abkürzungen (BITV 4), Trennung Inhalt/ Layout, CSS (BITV 3.3) und gültiger HTML-Code (BITV 3). Aus den Äußerungen der Schüler schließe ich, dass die mit diesen Aspekten verbundenen Barrieren eventuell Schwierigkeiten darstellen, aber es Möglichkeiten gibt diese zu umgehen.

Es gab aber auch Meinungen, welche einzelne Anforderungen der BITV entkräften. PDF-Dateien (BITV 8) sind für interneterfahrene Schüler kein Problem. Die von der BITV empfohlenen seitenspezifischen Tastaturbefehle (BITV 9.5) sind ungünstig, da sie eventuell mit den Tastaturbefehlen vom Screenreader kollidieren. Das Öffnen von neuen Fenstern bei externen Links und die Anwendung von Frames werden von manchen Befragten sogar als hilfreich angesehen, während in der BITV von diesen Techniken eher abgeraten wird (BITV 10.2 und 12).

Widersprüchliche Meinungen unter den befragten Schülern gab es vor allem bei zwei Punkten: In Soest plädierten die Schüler, darunter auch die interneterfahrenen Surfer, deutlich für Nur-Text-Versionen ohne Grafiken. In Marburg, wo ausschließlich sehr interneterfahrene Schüler diskutiert haben, distanzierten sich alle Teilnehmer, bis auf Jonas, ausdrücklich von den Nur-Text-Versionen als Musterlösung. Durch solche "Insellösungen" wird der Zusammenführungsprozess zwischen Sehenden und Blinden gestört. Die Blinden wollen erfahren, was die Sehenden an Bildern sehen und so normal wie möglich das weltweite Netz erkunden. Die Grafiken sollten nach Meinung der Marbuger Schüler nicht weggelassen werden, so wie es die Schüler in Soest fordern, sondern gut beschriftet werden. Und auch wenn es Nur-Text-Versionen gibt, surfen die Marbuger bevorzugt auf den "normalen" grafischen Versionen, da sie sich nicht ausgrenzen lassen möchten. Die Erwartung, normal behandelt zu werden, führt sogar dazu, dass gut gemeinte barrierefreie Ansätze von blinden Internetprofis abgelehnt werden. So sind Links wie "Navigation überspringen" und "Zum Seitenanfang", die eigentlich helfen sollen, unbeliebt. Das wäre schon zu übertrieben, Barrierefreiheit sei nicht an jeder Stelle schön (Oliver, Gruppendiskussion Marburg 1). Auch ausführliche Bannerbeschreibungen werden als nervig empfunden.

Nicht nur die persönlichen Fähigkeiten, sondern auch die sozialen und psychologischen Urprünge beeinflussen meiner Einschätzung nach die oben beschriebene Einstellung. Um es mit einem Satz zu sagen: Je souveräner der blinde Internetnutzer, desto "normaler" möchte bzw. kann er behandelt werden. Schüler wie Bernd, Matthias und Valentin gaben ihr Selbstverständnis klar zum Ausdruck: Sie würden den Sehenden im Internet in "so gut wie" nichts nachstehen (Bernd, Gruppendiskussion Marburg 3). Klar gebe es ein paar Probleme, aber im Grunde könnten sie - von ein paar Ausnahmebeispielen abgesehen - das Internet wie die Sehenden nutzen (Bernd, Gruppendiskussion Marburg 3).

Erfahrene blinde Internetsurfer befinden sich auf Augenhöhe mit allen anderen Surfern. Sie fallen nicht auf und möchten das auch nicht. Sie brauchen nicht besonders behandelt werden und wünschen es auch nicht. Ich vermute, dass dieses Selbstverständnis mit der Interneterfahrung zunimmt. Bei den Internetprofis aus Marburg ist dies sehr ausgeprägt, bei den interneterfahrenen Schülern aus Soest ist es teilweise vorhanden.

Erhaltene Gratifikationen blinder Schüler im Internet

Auch die im Kapitel "Die Sonerstellung Blinder in unserer Gesellschaft"> erörterten sozialen und psychologischen Ursprünge der gegenwärtigen Erwartungen und Bewertungen des Internets von blinden Schülern wurden durch die Gruppenbefragungen bestätigt. Aber auch hier muss man differenzieren. Die blinden Schüler, welche souverän mit dem Internet umgehen können, genießen die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, die sie durch das Internet erfahren. Busverbindungen raussuchen, selbst im Lexikon nachschlagen, allein das Online-Banking nutzen, mit Freunden (auch sehenden Freunden!) chatten oder im Internetshop in digital Büchern stöbern: Das sind nur einige der zahlreichen Möglichkeiten, die ihnen das Internet eröffnen (u.a. Simon, Gruppendiskussion Marburg 1). Patrick beschreibt das Internet als Hilfsmittel, um sich die Welt "in verschiedenen Dingen zugänglicher zu machen" (Patrick, Gruppendiskussion Marburg 1). Für ihn sei das Internet zum Alltagsgeschäft geworden.

Kategoriesierung der Gratifikationen
  Erhaltene Gratifikationen Gesuchte, aber nicht erhaltene Gratifikationen
Gratifikationen mit übergeordnetem Charakter Unabhängigkeit, Eigenständigkeit, Orientierung, Integration, Mobilität, Gleichwertigkeit, Normalität -
Kommunikation E-Mail, Foren, Chat, Internet Relay Chats (IRC), Messengerdienste wie ICQ, Mailinglisten, Newsgroups, Internettelefonie, HTML-Seitenerstellung, SMS-Versand, Radio-Upstreaming, Mobile Communication -
Informationsabruf Internetseiten, FAQ-Listen, Suchmaschinen, Preisrecherchen, Produktinformationen, Newsletter, Printmagazine als Text-Datei per E-Mail, Lexika, Alltagsorganisation wie z.B. Bus- und Bahnfahrten vorbereiten, PDF-Dateien Behördliche Briefe sollten per E-Mail kommen, meinen manche.
Services Internetshops, eBay, Online-Banking, Online-Updates, Upstreaming, Filesharing, FTP, W-LAN -
Unterhaltung Spiele -

Abb. 14: Kategorisierung der von den Marburger Schülern genannten Gratifikationen. Neben den von Bonfadelli vorgeschlagenen Kategorien (siehe Kapitel "Erweitertes GS/GO-Modell mit Blick auf das Internet" und Bonfadelli, 2004, S. 77-78) besitzt die Tabelle "übergeordnete Gratifikationen". Für die sehr interneterfahrenen Schüler aus Marburg sind Unabhängigkeit und Eigenständigkeit die obersten Ziele, welche indirekt zum Ausdruck kamen. Die weiteren Kategorien zeigen die erhaltenen Gratifikationen, die von den Marburger Schülern konkret thematisiert wurden. Gratifikationen wie die Nutzung von Suchmaschinen, Shops, E-Mails, Chats und Messengerdiensten werden von allen Schülern erhalten. Andere Möglichkeiten wie HTML-Seitenerstellung und Filesharing wurden nicht von allen Schülern thematisiert. Auffällig ist, dass fast keine Gratifikationen, die gesucht, aber nicht erhalten werden, genannt wurden.

Es gibt kaum eine gesuchte Gratifikation, welche die blinden Internetprofis nicht irgendwie und irgendwo im Internet erhalten. Natürlich können blinde Schüler nicht alles im Internet nutzen: Grafisch aufgebaute Online-Spiele und nicht erläuterte Flashfilme gehören dazu. Aber das Entscheidende ist, dass sie es auch gar nicht erwarten. Dies ist nicht selbstverständlich, denn man hätte auch vermuten können, dass die Erwartungen von blinden Schülern proportional zum Erfahrungszuwachs steigen, dass also ein Schüler je mehr er kann auch desto mehr im Internet nutzen möchte. Dem ist nicht so. Die blinden Schüler mit großer Interneterfahrung bewerten ihre gesuchten Gratifikationen als vollständig befriedigt. Ein Blick auf die untere Tabelle zeigt, wie sehr das Internet für die Kommunikation, den Informationsabruf und Services genutzt wird. Es scheinen keine Grenzen gesetzt. Neben Online-Banking, Filesharing, Shopping und Chats wurden sogar Internetfunktionen genannt, die mit dem Mobiltelefon verknüpft werden können. Nutzungsmöglichkeiten, die man dem Unterhaltungsbereich zuschreiben könnte, wurden allerdings so gut wie gar nicht genannt. Nur Jonas meinte, er würde manchmal Online-Spiele nutzen (Jonas, Gruppendiskussion Marburg 2). Die Art der Internetnutzung unterscheidet sich, so meine Vermutung, sehr von der Internetnutzung sehender Schüler. Ich kann mir vorstellen, dass bei sehenden Jugendlichen der Unterhaltungsbereich wesentlich stärker mit Gratifikationen besetzt ist. In Bereichen der Kommunikation und des Informationsabrufes wiederum haben manche erfahrene blinde Schüler eventuell sogar mehr Erfahrung als sehende, da sie darauf angewiesen sind und das Internet als Hilfsmittel für alltägliche Dinge nutzen können bzw. müssen. So ist es auch nicht ungewöhnlich, dass die blinden Schüler sogar manchen Sehenden beim Internetsurfen weiterhelfen.

Koordinatensystem Abb. 15: Darstellung des Zusammenhangs zwischen Know-how, GO und BITV. Für Interneteinsteiger sind die Anforderungen der BITV uninteressant, da sie mit anderen zentralen Problemen rund um den Rechner und die Hilfsmittelsoftware beschäftigt sind. Erst wenn sie eigenständig im Internet surfen, stoßen sie auf Barrieren einzelner Seiten. Je weiter dann aber die persönlichen Fähigkeiten ausgebaut werden, desto weniger relevant ist es, ob eine einzelne Internetseite die BITV erfüllt oder nicht. Denn das Internet bietet für jeden Internetdienst genügend barrierefreie Alternativen. Je mehr Know-how jemand besitzt, desto mehr Gratifikationen erhält er. Wichtig hierbei ist, dass eine Sättigung eintritt. Die Erwartungen an das Medienangebot steigern sich also nicht ins Unendliche, sondern es stellt sich eine grundlegende Zufriedenheit ein, welches durch das Abflachen der durchgestrichenen Linie veranschaulicht wird.