Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Richtlinien für die digitale Barrierefreiheit

Weil technische Spezifikationen wie HTML die Barrierefreiheit nicht "out of the box" garantieren, gibt es zusätzliche Webstandards zur digitalen Barrierefreiheit. Das W3C hat über die Jahre insbesondere folgende drei Dokumente zur digitalen Barrierefreiheit entwickelt:

Auch wenn die anderen beiden Richtlinien für die digitale Barrierefreiheit wichtig sind, sind meist die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) für die Gestaltung von Webseiten, Dokumenten oder Software relevant. Die WCAG sind auf Inhalte anwendbar im Gegensatz zu den anderen beiden Richtlinien. Die Authoring Tool Accessibility Guidelines 2.0 sind auf erstellende Software wie ein Redaktionssystem ausgerichtet. Die User Agent Accessibility Guidelines 2.0 beschreiben Anforderungen insbesondere an Browser, Media-Player und Browsererweiterungen.

Die WCAG gibt es in drei Versionen:

  1. Die WCAG 2.0 aus 2008 umfasst 61 Kriterien. Es handelt sich immer noch um einen gültigen Webstandard, aber durch die Vorgaben in Europa und Deutschland hat sie kaum noch Relevanz.
  2. Die WCAG 2.1 enthält die WCAG 2.0 vollständig. Die WCAG 2.1 ergänzt die WCAG 2.0 um Extern: weitere 17 Kriterien. Im September 2023 wurde eine neue Fassung der WCAG 2.1 mit vielen redaktionellen Änderungen und die de-facto Aufhebung von Erfolgskriterium 4.1.1 veröffentlicht. In der Europäischen Union und in Deutschland sind die WCAG 2.1 maßgebend für die digitale Barrierefreiheit.
  3. Die WCAG 2.2 vom Oktober 2023 ergänzt die WCAG 2.1 um Extern: neun neue Kriterien. Außerdem wurde Erfolgskriterium 4.1.1 für obsolet erklärt. Die nunmehr 86 Kriterien werden ab September 2025 offiziell als Maßstab der Barrierefreiheit in Europa und Deutschland gelten.

Einen Überblick der WCAG liefert der Beitrag Die vier Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1.

Europäische Vorgaben

Die Europäische Union hat mit verschiedenen Richtlinien die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, ihre Gesetzgebungen anzupassen, um Mindestanforderungen der digitalen Barrierefreiheit durchzusetzen. Diese Richtlinien sind:

Europäische Richtlinien
Bezeichnungumzusetzen bis
RICHTLINIE (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen23.9.2018
Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten19.9.2020
Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen28.6.2022

Die Europäischen Richtlinien sind an die Mitgliedsstaaten gerichtet. Erst wenn die Mitgliedsstaaten entsprechende Gesetze verabschieden, sind die europäischen Vorgaben verpflichtend in einem Land.

Umsetzung in Deutschland

In Deutschland wurden die Vorgaben der Richtlinie 2016/2102 zur digitalen Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0 aufgenommen. Das BGG regelt vor allem, welche öffentlichen Stellen welche digitalen Angebote barrierefrei gestalten müssen und darüber hinaus wie die Fortschritte überwacht werden sollen. Die BITV 2.0 legt unter anderem die anzuwendenden Standards fest.

BGG und BITV 2.0 gelten für öffentliche Stellen des Bundes. Die 16 Bundesländer in Deutschland haben eigene Gleichstellungsgesetze und Verordnungen. Die Landesnormen verweisen entweder auf die BITV 2.0 oder auf die europäischen Vorgaben.

Die Europäische Richtlinie 2018/1808 stellt unterschiedliche Anforderungen an audiovisuelle Mediendienste und Videosharingplattform-Dienste. Diese Anforderungen werden im Telemediengesetz (TMG) umgesetzt. Weitere Regelungen der Richtlinie, insbesondere im Hinblick auf inhaltsbezogene Anforderungen, werden zum Beispiel im Medienstaatsvertrag (MSTV) umgesetzt. Informationen zur Barrierefreiheit bietet die Extern: Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

Mit der Richtlinie 2019/882 wird die Wirtschaft zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet. In Deutschland wurde die Richtlinie mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) umgesetzt. Welche Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein müssen sowie welche Akteure dazu verpflichtet sind, erklärt die Extern: Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

Mindestanforderungen der digitalen Barrierefreiheit

Die Europäische Union hat bereits in der Richtlinie 2016/2102 bestimmt, dass die EN 301549 (v1.1.2) als Mindeststandard für die digitale Barrierefreiheit öffentlicher Stellen in Europa gilt. Inzwischen ist im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 289/53 vom 12.08.2021) mit dem Durchführungsbeschluss 2021/1339 die EN 301549 (v 3.2.1vom März 2021) zum Mindeststandard bestimmt worden.

In der EN 301549 werden insbesondere für

die Erfolgskriterien aus den WCAG 2.1 auf Konformitätsstufe AA als Mindestanforderung bestimmt. Je nach Anwendung (zum Beispiel Autorenwerkzeuge, Notfalldienste und so weiter) sind auch weitere Mindestanforderungen festgelegt.

Prüfung der Barrierefreiheit

Die BITV 2.0 und die Europäische Richtlinie 2016/2102 arbeiten mit einer Konformitätsvermutung. Das bedeutet, dass die Barrierefreiheit eines digitalen Inhalts erst dann angenommen werden kann, wenn Konformität zu einer Barrierefreiheitsnorm erreicht wird. Bei dieser Norm handelt es sich um die EN 301549.

Die Prüfschritte zur Überprüfung der Konformität zur EN 301549 werden in Anhang C der EN 301549 aufgeführt. Obwohl es Prüfschritte zu den Kapitel 5 bis 8 sowie 12 und 13 gibt, so werden meist nur die Prüfschritte der Kapitel 9, 10 und 11 relevant sein. Diese Prüfschritte beziehen sich weitgehend auf die WCAG 2.1. Für Software gibt es gegenüber den WCAG 2.1 26 zusätzliche Anforderungen bezogen auf Kapitel 11.

Die WCAG 2.1 beschreibt die Mindestanforderungen der Barrierefreiheit für einzelne Webseiten, Dokumente oder Ansichten einer Software. Die 50 Erfolgskriterien der WCAG 2.1 auf Konformitätsstufe AA sind als testbare Kriterien formuliert. Weitere Hinweise zur Prüfung werden in den nicht-normativen Techniken zu den WCAG 2.1 geboten.

Für die meisten Anbieter ist die Barrierefreiheit nicht nur einzelner Webseiten oder Dokumente von Interesse, sondern die Barrierefreiheit eines Webauftritts oder einer Software. Ein gesondertes Prüfverfahren zur Barrierefreiheit ist in der WCAG 2.1 nicht enthalten. Vielmehr steht ein weiteres Dokument zur Verfügung, die Extern, englischsprachig: Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM) 1.0, das Verfahren zur Seitenauswahl, zur Konformitätsbewertung und zur Dokumentation beschreibt.

Stand der Technik

Neben den Erfolgskriterien aus den WCAG 2.1 muss nach der BITV 2.0 der Stand der Technik beachtet werden. Für barrierefreies Webdesign kommen vor allem folgende technische Standards als Stand der Technik in Frage: