Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Barrierefreie Gestaltung multimedialer Inhalte mittels SMIL 2.0 in der Theorie und anhand eines Beispiels geschrieben von René Hojas (2004)

Zusammenfassung und Perspektiven

Barrierefreiheit ist ein in der heutigen Zeit oft in den Medien auftauchender, leider aber sehr häufig falsch interpretierter Begriff Eine der grundlegenden Intentionen dieser Diplomarbeit ist es, Klarheit in Bezug auf die weit reichende Bedeutung dieses Wortes zu schaffen.

Die eindringliche Beschäftigung mit dieser Thematik im Rahmen von mehreren Projekten und vor allem dieser Diplomarbeit hat zur Erkenntnis geführt, dass dieser Begriff mehr bedeutet, als Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen den Zugang zu einer Website zu ermöglichen. Barrierefreiheit ist Teil eines gesellschaftlichen Wandlungsprozesses, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begonnen hat, bis heute andauert und wahrscheinlich noch lange nicht abgeschlossen sein wird. Noch im Jahr 1985 war es eine kleine Sensation, dass bei Gebäuden öffentlicher Einrichtungen spezielle Rampen angebracht wurden, um Menschen im Rollstuhl den Zugang zu ermöglichen. Heute, beinahe 20 Jahre später, ist dies eine Selbstverständlichkeit.

Dennoch wäre es aber grundlegend falsch bei der Begriffsdefinition allein auf körperliche Beeinträchtigungen abzustellen. Barrierefreiheit meint jede Art von Behinderung oder Restriktion, die den umfassenden und uneingeschränkten Zugang zu einem wie auch immer gearteten System be- oder verhindert. So bedeuten unter anderem eine geringe Bandbreite in Form von langen Ladezeiten oder Sonnenlicht, das auf einen Monitor scheint und die Lesbarkeit beeinträchtigt, Barrieren, die eine uneingeschränkte Benutzung des entsprechenden Systems behindern.

Neben einer allgemeinen Erläuterung des Begriffes wird die Bedeutung von Barrierefreiheit für das World Wide Web thematisiert. Das Internet hat mit enormer Geschwindigkeit Einzug in beinahe alle Bereiche des tägliche Lebens gehalten und die Gewohnheiten der Menschen, die Zugang zu diesem Medium haben, in vielfacher Hinsicht verändert. Der Hauptgrund für diese beispiellose Verbreitung ist die Vielfalt an Möglichkeiten, die das Internet eröffnet. Informationen können relativ einfach und in rasanter Geschwindigkeit beschafft, ausgetauscht und verbreitet werden, soziale Interaktion beziehungsweise die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen wird prinzipiell vereinfacht, die Palette an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ist, genau wie die das Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten, nahezu unbegrenzt.

Besonders behinderte Menschen können ernorme Vorteile aus diesen Möglichkeiten ziehen. Paradoxerweise wird gerade dieser Personenkreis durch unterschiedliche Barrieren von der Nutzung dieses Mediums ausgeschlossen. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Tatsache, dass ein hoher Prozentsatz dieser Benutzergruppe auf die Verwendung von assistiven technischen Hilfsmitteln angewiesen ist, um eine Website bedienen und die Inhalte verstehen zu können. Da die angebotenen Informationen nicht für die Ausgabe und Verarbeitung auf beziehungsweise durch diese Ausgabegeräte optimiert sind, bleibt diesen Usern der Zugang verwehrt. Die unterschiedlichen Beeinträchtigungen und die entsprechenden Hilfsmittel beziehungsweise die vielfältigen Barrieren, mit denen die betroffenen Nutzergruppen im Internet konfrontiert sind, werden im Rahmen dieser Arbeit erläutert.

Um eine allgemeine Zugänglichkeit von Web-Inhalten zu sichern, wurde vom World Wide Web Consortium (W3C) in Form der Web Accessibility Initiative (WAI) eine spezielle Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, Richtlinien für alle auf Entwicklerseite beteiligten Interessensgruppen (Produzenten von Webinhalten, Hersteller von Zugangssoftware und Publikationswerkzeugen) zu erarbeiten, damit diese ihre Produkte den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechend erzeugen können. Diese Richtlinien entfalten aber keinerlei rechtliche Verpflichtung, sondern dienen als Vorlage für entsprechende nationale Bestimmungen, wie zum Beispiel die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung in Deutschland. Die Skizzierung dieser normativen Rahmenbedingungen sind Thema dieser Arbeit.

Die ständig wachsenden Bandbreiten haben die Übertragung von immer größeren Datenmengen und somit die Metamorphose des Internet von einem text-orientierten zu einem multimedialen System ermöglicht. Wie alle anderen Web-Inhalte, müssen auch diese multimedialen Inhalte barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Im Hauptteil dieser Diplomarbeit werden zuerst unterschiedliche Medienformate hinsichtlich ihrer Probleme in Bezug auf Barrierefreiheit näher betrachtet und Wege aufgezeigt, wie diese Barrieren im jeweiligen Fall prinzipiell beseitigt werden können.

Die Praxis zeigt, dass einzelne Medientypen durchaus für Nutzergruppen mit bestimmten Beeinträchtigungen zugänglich gemacht werden können. So können zum Beispiel die visuelle Ebene eines Films von sehbehinderten Menschen durch das alternative Angebot dieser Inhalte in Form einer akustischen Beschreibung erfasst, oder die Sprachdialoge durch Untertitel beziehungsweise ein Gebärdensprache-Video barrierefrei gemacht werden.

Werden diese unterschiedlichen Medientypen in einer Präsentation synchronisiert (z.B. Video mit Tonspur), stoßen die meisten dieser im Einzelfall problemlos anwendbaren Techniken an ihre Grenzen. Einer der Gründe für diese unbefriedigende Situation ist die Tatsache, dass die meisten dieser Medienformate proprietär sind und die wirtschaftlichen Interessen der entsprechenden Unternehmen einer gemeinschaftlichen Lösung oft im Weg stehen.

Aus diesem Grund wurde vom W3C ein völlig unabhängiger Standard für die Präsentation unterschiedlichster multimedialer Inhalte im Web entwickelt. Die Synchronized Multimedia Integration Language (SMIL) ermöglicht die optimale Darstellung, Kombination und Synchronisation von unterschiedlichen Medientypen in interaktiven Präsentationen. Die aktuelle Version 2.0 dieses Standards bietet umfangreiche Funktionen um diese Inhalte an die Bedürfnisse, Fähigkeiten und sonstigen Gegebenheiten der Benutzer anzupassen und individuell zur Verfügung zu stellen.

Die Auslotung und Überprüfung des Potenzials in Bezug auf Barrierefreiheit von SMIL 2.0 in Theorie und Praxis steht im Zentrum dieser Diplomarbeit. Dabei werden einerseits die Grundlagen dieser Technologie erklärt, die verfügbaren User Agents und Werkzeuge für die Produktion von SMIL-Dokumenten besprochen, sowie die Accessibility-Funktionen im Detail betrachtet.

Diese umfangreichen Möglichkeiten von SMIL 2.0 werden anhand eines Prototypen praxisnah überprüft. Konkret wird der aktuelle Funktionsumfang dieses Standards am Beispiel eines 80 Sekunden langen Filmausschnitts angewendet und dieser in Hinblick auf die Benutzeroberfläche und die präsentierten Inhalte zugänglich gemacht. Unter anderem werden synchronisierte Tonspuren und Untertitel mehrsprachig angeboten, akustische Beschreibungen unterbrechen die Präsentation an notwendigen Punkten, um zum Beispiel sehbehinderten Menschen einen Eindruck der visuellen Handlungsebene zu vermitteln, sowie ein Video mit Übersetzung der akustischen Ebene in Gebärdensprache angeboten und eine detaillierte Zusammenfassung aller Inhalte als Textdatei zur Verfügung gestellt.

Das Besondere an dieser Technologie ist, dass die Entscheidung, welche dieser angebotenen Inhalte tatsächlich angezeigt werden, nicht vom Autor der Präsentation, sondern vom Nutzer getroffen wird, beziehungsweise dass die technischen Voraussetzungen der Ausgabesituation (z.B. Bandbreite, Bildschirmauflösung, Verwendung eines Handhelds, etc.) automatisch überprüft und daran angepasste Inhalte übertragen werden.

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Diplomarbeit ist festzustellen, dass SMIL 2.0 prinzipiell die nötigen Funktionen bietet, multimediale Präsentationen barrierefrei zu machen. Dieses Potenzial wird allerdings augenblicklich noch von diversen Umständen beschnitten und kann nicht vollständig ausgeschöpft werden.

Zum einen unterstützt keiner der aktuell verfügbaren User Agents den vollen Funktionsumfang dieses Standards, weshalb manche der vorhandenen Accessibility Features, zum Beispiel die Manipulation der internen Zeitleiste von integrierten Medien, nicht umgesetzt werden können. Zum anderen sind zwar theoretisch alle Medienformate mit SMIL 2.0 integrierbar, ob diese Formate allerdings von allen User Agents korrekt interpretiert werden, steht auf einem anderen Blatt.

Es muss aber festgehalten werden, dass SMIL lange im Schatten der kommerziellen Produkte am Markt stand, und erst im Zuge der Diskussion um allgemeine Zugänglichkeit stärker ins Rampenlicht gerückt wurde. Da die Herstellerunternehmen der wichtigsten User Agents direkt oder indirekt an der Weiterentwicklung von SMIL beteiligt sind, steht zu erwarten, dass der volle Funktionsumfang dieses Standards in einer der nächsten Produktgenerationen unterstützt werden wird und die Kompatibilitätsprobleme gelöst werden.