Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Barrierefreie Gestaltung multimedialer Inhalte mittels SMIL 2.0 in der Theorie und anhand eines Beispiels geschrieben von René Hojas (2004)

Aufgaben von W3C und WAI

"W3C's mission is to lead the Web to its full potential, which it does by developing technologies (specifications, guidelines, software, and tools) that will create a forum for information, commerce, inspiration, independent thought, and collective understanding." vgl. Extern, englischsprachig: World Wide Web Consortium 2004

Das World Wide Web Consortium (W3C) ist eine international anerkannte Institution, die sich mit der technischen Weiterentwicklung des Internet befasst. Ihre mittlerweile über 360 Mitglieder gehören Universitäten, diversen Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Softwareindustrie an. Aufgabe dieser Organisation und seiner Gremien ist die Definition von Standards für web-relevante Technologien. Entwürfe für neue Standards oder Erweiterungen bestehender Standards werden zunächst in Form von "Working Drafts" zur Diskussion gestellt. Die nach Abschluss der Diskussion verabschiedeten Standards werden als Empfehlungen - Recommendations - bezeichnet. Diese Empfehlungen haben keinen rechtlich bindenden Charakter und wurden in der Vergangenheit vor allem von den Browserherstellern ignoriert. vgl. Extern, englischsprachig: Herman 2004

Die folgenden sieben Punkte fassen die Ziele und Aufgaben des W3C in aller Kürze zusammen:

Die Web Accessibility Initiative (WAI) ist eine Teilorganisation des W3C, die sich mit dem Bereich Barrierefreies Internet/Accessibility befasst. Ihre Aufgabe ist es, Richtlinien für alle auf Entwicklerseite beteiligten Interessensgruppen (Produzenten von Webinhalten, Hersteller von Zugangssoftware und Publikationswerkzeugen) zu erarbeiten, damit diese ihre Produkte den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechend erzeugen können. vgl. Extern, englischsprachig: Jacobs u.a. 2004

Bisher wurden von der WAI zum Thema Barrierefreiheit drei Elaborate mit dem Status einer Recommendation publiziert:

vgl. Extern, englischsprachig: Brewer 2004

Die vierte in diesem Kontext zu sehende Empfehlung ist unter der Bezeichnung "XML Accessibility Guidelines" (XAG) bekannt, existiert allerdings im Moment erst als Arbeitsentwurf (Working Draft). Darin werden Richtlinien für die Gestaltung und Programmierung von XML-Dokumenten und -Anwendungen erarbeitet. mit denen Barrieren verhindert oder abgebaut werden können. vgl. Extern: Ruth 2004

Jede Richtlinie der WAI enthält eine unterschiedliche Zahl an Anforderungen. Jedem dieser Checkpunkte wird eine Prioritätsstufe zugeordnet. Diese definieren sich wie folgt:

Abhängig von der Prioritätsstufe, die ein Internetangebot erfüllt, wird ein Konformitätsniveau definiert:

Das Erreichen eines Konformitätslevels gilt mittlerweile als eindeutiges Qualitätsmerkmal und wird von vielen Websites über eine offizielle Zertifizierung ausgewiesen. vgl. Extern: BIK 2004b

Web Content Accessibility Guidelines 1.0

Adressaten dieser Richtlinien sind Autoren, Designer und Entwickler von Websites. Diese, kurz WCAG, genannten Bestimmungen enthalten eine Liste von Geboten und Verboten um in HTML und anderen Mark-Up-Sprachen erstellte Internetseiten barrierefrei zu gestalten. vgl. Clark 2002

WCAG 1.0

Die erste Version der WCAG wurde am 5. Mai 1999 vom W3C als Recommendation herausgegeben und umfasst insgesamt 66 Richtlinien, die in 14 Kategorien unterteilt sind:

vgl. Extern, englischsprachig: Chrisholm u.a. 2004

Auf eine nähere Ausführung der einzelnen Anforderungen wird an dieser Stelle verzichtet, da diese nicht mehr aktuell sind und in Kürze eine neue Version der WCAG veröffentlicht wird.

Am 11.03.2004 wurde der Working Draft der Version 2.0 in Form eines so genannten "Last Call" publiziert. Dieser Status gibt allen Mitgliedern des W3C die letzte Gelegenheit, vor der Veröffentlichung einer entsprechenden Recommendation, Kritik zu üben. Es handelt sich um einen sehr fortgeschrittenen Entwurf, in dem die grundlegenden Veränderungen absehbar sind. Mit Veröffentlichung der finalen Version ist zum Ende des zweiten Quartals dieses Jahres zu rechnen. vgl. Extern: Caspers 2004

Detaillierte Informationen zur Version 1.0 der WCAG finden sich auf der Website von Jan Eric Hellbusch (www.barrierefreies-webdesign.de). vgl. Extern: Hellbusch 2004c

WCAG 1.0 versus WCAG 2.0

Viele der Vorgaben in den WCAG 1.0 entsprechen nach Ansicht der Experten nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik, sind entweder zu restriktiv, zu unverständlich oder international nicht durchsetzbar. vgl. Extern: Caspers 2004

Die meisten dieser Bestimmungen wurden sinngemäß in die Version 2.0 übernommen, allerdings wurden die Richtlinien neu strukturiert und die einzelnen Checkpunkte allgemeiner und somit nachhaltiger formuliert. vgl. Extern: Hellbusch 2004

Die Struktur der Empfehlung wurde gestrafft, die bisher 14 Richtlinien auf 4 Bestimmungen reduziert. Jede diese Bestimmungen enthält wie bisher mehrere Checkpunkte. Insgesamt sind es laut aktueller Fassung 18 Anforderungen, in der WCAG 1.0 waren es noch 66 Richtlinien. Die im Kapitel Aufgaben von W3C und WAI beschriebene dreistufige Prioritätspyramide wurde aufgelöst und durch ein zweistufiges Schema ersetzt, in dem es nur noch "Muss"- und "Soll"-Bestimmungen ("Core- und "Extended-Vorschriften) gibt. vgl. Extern, englischsprachig: Caldwell u.a. 2004

Jede Anforderung ist so formuliert, dass sie sich nicht explizit auf bestimmte Technologien (z.B. HTML, CSS, etc.) bezieht, sondern auf alle vorhandenen und zukünftig absehbaren Entwicklungen anwendbar ist. Technologie-spezifische Empfehlungen und Anweisungen werden in zusätzlichen Dokumenten gegeben, gehören nicht zum eigentlichen Standard, sondern haben ausschließlich informativen Charakter. vgl. Extern: Caspers 2004

Die aktuelle Situation zeigt, dass die weltweite Implementierung der WCAG 1.0 in nationale Gesetze nicht unproblematisch ist. So kann theoretisch der Fall eintreten, dass eine Website in Europa gesetzeskonform gestaltet ist, gegen das entsprechende Gesetz in den USA aber verstößt, obwohl beide Gesetze auf ein und derselben Richtlinie basieren. Deshalb werden in der WCAG 2.0 Formulierungen verwendet, die einerseits bestimmte Mindestanforderungen klar definieren, andererseits den nötigen Spielraum für nationale Gegebenheiten lassen. vgl. Extern: Caspers 2004

Eine gegen die Kriterien der WCAG 2.0 validierende Website muss die "Core"-Bedingungen erfüllen und sollte den genauen Umfang der erfüllten "Extended"-Anforderungen klar ausweisen (z.B. "core plus extended 1.3, 2.1, 2.2 und 4.5."). vgl. Extern: Caspers 2004

Es gibt allerdings auch viele kritische Stimmen, die dem neuen Entwurf zwar in Teilbereichen Verbesserungen gegenüber der Vorgängerversion zugestehen, die aber gleichzeitig Wiederholungen von Fehlern und größeres Potential von Missinterpretationen sehen. vgl. Extern, englischsprachig: Clark 2004a

WCAG 2.0

Die folgende Aufstellung erläutert kurz den aktuellen Stand (Working Draft vom 11.3.2004) der Richtlinien und Checkpoints der WCAG 2.0 und zeigt die wichtigsten Neuerungen auf:

Principle 1: Content must be perceivable.

vgl. Extern, englischsprachig: Caldwell u.a. 2004

Alle Inhalte, Funktionen und Informationen müssen, um den Anforderungen der Barrierefreiheit gerecht zu werden, in einer für alle Benutzer gleich wahrnehmbaren Form verfügbar sein. Dabei ist unter Berücksichtigung der Textorientiertheit vieler Betroffener besonders auf die Wahl von geeigneten Kontrasten, Farben und auf die Verwendung einer klaren und einfachen Sprache zu achten. vgl. Extern: Hellbusch 2004

Principle 2: Interface elements in the content must be operable.

vgl. Extern, englischsprachig: Caldwell u.a. 2004

Im Focus dieser Richtlinie stehen die Geräteunabhängigkeit der Ein- und Ausgabegeräte, die Beeinflussbarkeit der zeitlichen Determinanten, eine klare Orientierungsmöglichkeit und die einfache Vermeidbarkeit von Fehlern. vgl. Extern: Hellbusch 2004

Principle 3: Content and controls must be understandable.

vgl. Extern, englischsprachig: Caldwell u.a. 2004

Um die Verständlichkeit der angebotenen Inhalte sicherzustellen und gegebenenfalls zu erhöhen, müssen einerseits die Erfahrungen und Fähigkeiten der Besucher und andererseits auch deren Umgang mit neuen Systemen beachtet werden.

Dafür geeignete Maßnahmen sind die Verwendung einer klaren Sprache, der unterstützende Einsatz wahrscheinlich bekannter bildlicher Darstellungen sowie die Bereitstellung von Erklärungen und Zusatzinformationen zu ungewöhnlichen Begriffen oder Fachsprache. vgl. Extern: Hellbusch 2004

Principle 4: Content must be robust enough to work with current and future technologies.

vgl. Extern, englischsprachig: Caldwell u.a. 2004

Dieses Prinzip thematisiert die technische Aufbereitung der Inhalte, um ein nachhaltiges, zukunftsfähiges und vor allem barrierefreies Angebot von Informationen zu garantieren. Diese Sicherheit kann durch zweckmäßigen Einsatz aktueller Technologien gemäß den dafür vorgesehenen Standards (z.B. Verwendung von XHTML für Strukturierung der Informationen, Cascading Style Sheets für Layout und Formatierung) gewährleistet werden. vgl. Extern: Hellbusch 2004

User Agent Accessibility Guidelines 1.0

Die zwölf Richtlinien dieser, auch unter dem Akronym UAAG 1.0 bekannten Spezifikation sind vor allem an Entwickler von so genannten User Agents adressiert und erläutern, welche Anforderungen diese erfüllen müssen, um barrierefrei gestalteten Inhalt auch für alle zugänglich wiedergeben zu können. Ein User Agent ist ein Client-Programm, mit dem ein Netzwerkdienst genutzt werden kann. Dabei handelt es sich um die Schnittstelle zum Benutzer, die die Inhalte darstellt und Befehle entgegennimmt. In diese Kategorie fallen Web Browser, Media Player, Plug-Ins und auch assisitive Technologien. vgl. Extern, englischsprachig: Jacobs u.a. 2004

Authoring Tool Accessibility Guidelines 1.0

Diese Bestimmungen richten sich an die Hersteller und Entwickler von Werkzeugen zur Erstellung und Publikation von Webinhalten und wurden am 3. Februar 2000 als offizielle W3C-Recommendation publiziert. vgl. Extern, englischsprachig: Treviranus u.a. 2004

Die Authoring Tool Accessibility Guidelines 1.0 (oder kurz: ATAG 1.0) betreffen ein weites Spektrum von Werkzeugen. Der Bogen spannt sich von WYSIWYG-Editoren ("What You See is what you get"-Editoren) und "save-as-HTML"-Konvertierungsapplikationen über Tools, die dynamisch Inhalte aus Datenbanken generieren und Bildeditoren bis hin zu Site-Management-Software.

Die sieben Richtlinien erläutern nicht nur die Anforderungen an eine Software um damit barrierefreie Webinhalte produzieren zu können, sondern befassen sich auch mit der Zugänglichkeit der Applikation selbst. vgl. Extern, englischsprachig: Treviranus u.a. 2004