Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Barrierefreie Gestaltung multimedialer Inhalte mittels SMIL 2.0 in der Theorie und anhand eines Beispiels geschrieben von René Hojas (2004)

Einige Meilensteine der Mediengeschichte

"The power of the Web is in its universality. Access by everyone regardless of disability is an essential aspect."

Historisch gesehen stehen Information und Kommunikation seit jeher in engem Zusammenhang mit der Entwicklung und der Kontrolle von Medien. Lesen und Schreiben zu können, und damit in Verbindung auch die Produktion erster handschriftlicher Bücher, war ein Privileg, das Mitgliedern der Kirche und des Adelsstandes vorbehalten war und das diese Gruppen nutzten um die Informationen und somit auch das Volk zu kontrollieren. vgl. Extern, englischsprachig: Brooks / Heyman / Pyon 2004

Die Erfindung des Buchdrucks war ein erster großer Meilenstein in der Mediengeschichte. Sie eröffnete über Schriften und Bücher einer elitären Schicht die Möglichkeit, einseitig zu kommunizieren, und einer ausgewählten Zielgruppe, sich mit Informationen zu versorgen. In den folgenden Jahrhunderten waren Printmedien stets maßgeblich an wichtigen Veränderungen und Weiterentwicklungen der Gesellschaft beteiligt. vgl. Extern, englischsprachig: Brooks / Heyman / Pyon 2004

In Bezug auf Kommunikation revolutionierte das Telefon das soziale Verhalten dahingehend, dass direkter und unmittelbarer Kontakt mit anderen Menschen möglich wurde, ohne mit ihnen physisch am gleichen Ort sein zu müssen. Radio, Fernsehen und gedruckte Massenmedien veränderten und vereinfachten die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -versorgung in den letzten 150 Jahren grundlegend. vgl. Extern, englischsprachig: Brooks / Heyman / Pyon 2004

In der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts kam ein neues Medium auf, das die Gesellschaft hinsichtlich Kommunikation und Informationsbeschaffung revolutionierte, weil es bis zu diesem Zeitpunkt kein Medium gab, das alle unterschiedlichen Vorzüge und Möglichkeiten der anderen Medien in sich vereinte - und das noch dazu in einem globalen Kontext. vgl. Extern, englischsprachig: Brooks / Heyman / Pyon 2004

Den Grundstein für den beispiellosen Siegeszug dieses Mediums legte Tim Berners-Lee, der allgemein als Erfinder des World Wide Web (WWW) angesehen wird, als er im Herbst des Jahres 1990 die ersten Versionen der wichtigsten Elemente seiner Idee eines global umspannenden Informations- und Kommunikationsnetzwerkes, auch Internet genannt, programmierte. vgl. Extern: Münz 2004

Die Idee des World Wide Web

"Unbounded opportunity... limited only by your imagination." vgl. Extern, englischsprachig: Berners-Lee 2004

Mit dieser prägnanten Aussage versucht Tim Berners-Lee auf einer Website die Frage nach seiner Vision, seiner Idee eines globalen, öffentlich zugänglichen Informationsnetzwerkes, auch Internet genannt, wiederzugeben. vgl. Extern, englischsprachig: Berners-Lee 2004

Diese Idee und die daraus resultierende Entwicklung des Internet waren in jeder Hinsicht eine Revolution. Es entstand ein völlig neues Medium, das den Regeln der bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Medientypen nicht gehorchte, für das es zwar technische aber keine inhaltlichen Grenzen gab und das durch den Einfluss der eigenen Nutzer ein Regelwerk für sich selbst entwickeln musste. Ideen wie die Befreiung von den Zwängen der konventionellen Kommunikationsformen, freie Meinungsbildung und -äußerung, das Zusammenrücken der Völker, lebendiger Meinungspluralismus, universelle Zugänglichkeit, Verarbeitung und Transformierbarkeit von Daten und eine Stärkung von demokratischen Denkweisen waren die treibenden Kräfte für die Entwickler und Nutzer des Internet, als das Medium noch in den Kinderschuhen steckte. vgl. Extern: Molily 2004

Die Realität — Weit, Weit Weg davon?

Die heutige Gesellschaft hat sich von einer Industriegesellschaft zu einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft entwickelt, aus welcher das Internet nicht mehr wegzudenken ist. Diese eben erwähnten ursprünglichen, beinahe anarchistisch anmutenden Ansätze wurden in vielen Bereichen sehr schnell von der Realität eingeholt und diverse Gremien entwickelten Richtlinien und Gesetze für die unterschiedlichsten Bereiche. Von dem Zeitpunkt an, an dem das Internet den nicht kommerziellen Bereich verlassen hat und vom Nischen- zum Massenmedium wurde, waren zwangsweise Richtlinien und Gesetze zur Regulierung notwendig. Der globalisierte American Dream war somit ausgeträumt. vgl. Extern: Molily 2004

Rasante Verbreitung

Tatsache ist, dass das neue Medium mit enormer Geschwindigkeit Einzug in alle Bereiche des täglichen Lebens gehalten hat. Innerhalb von nur sieben Jahren erreichte es 30 Prozent aller Haushalte in den Vereinigten Staaten. Im Vergleich dazu benötigten das Telefon 37 Jahre und das Fernsehen 17 Jahre um die selbe Durchdringungsrate zu erreichen. vgl. Katz / Rice 2002

Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes Deutschland hatten im Jahr 2002 43 Prozent aller deutschen Haushalte Zugang zum Internet. vgl. Extern: Statistisches Bundesamt 2004

Die Bundesanstalt für Statistik Österreich kommt für den selben Betrachtungszeitraum zum exakt gleichen Ergebnis: etwa 43 Prozent aller österreichischen Haushalte verfügten im Jahre 2002 über eine Internetanbindung. vgl. Extern: Statistik Austria 2004

Mit diesen Werten lagen die beiden Nationen leicht über dem EU-Durchschnitt von 40 Prozent, erreichten aber nicht den Verbreitungsgrad der führenden EU-Länder, wie zum Beispiel die Niederlande mit 46 Prozent. Weltweit führend sind in diesen Statistiken allerdings unumstritten die Vereinigten Staaten und Kanada. Dort verfügten schon im Jahre 2001 mehr als 50 Prozent aller Haushalte über einen Internetzugang. vgl. Extern: Statistisches Bundesamt 2004

Möglichkeiten und Vorteile

Diese rasante und weit reichende Verbreitung ist zu einem großen Teil sicherlich auf die vielfältigen Möglichkeiten und Vorteile des Mediums zurückzuführen. Zu den wichtigsten und grundlegenden Funktionalitäten zählen einfache Beschaffung und freier Austausch von Informationen, die große Palette an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die prinzipiell einfache soziale Interaktion beziehungsweise Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen und schließlich das breite Spektrum an Unterhaltungsangeboten - und alles auf globaler Ebene.

Nicht umsonst tauchen in der deutschen Sprache immer häufiger Anglizismen mit vorangestelltem "E-", wie zum Beispiel E-Mail, E-Business, E-Commerce, E-Government und E-Learning, auf. Das Internet hat das tägliche Leben, beruflich wie privat, in großem Ausmaß verändert. vgl. Katz / Rice 2002

Soziale Interaktion

Das Internet bietet vielfältige Kommunikationsfunktionalitäten wie zum Beispiel E-Mail oder Chatforen. Von Beginn an stand die Frage im Raum, ob das neue Medium negative Auswirkungen auf das Sozialverhalten und die soziale Kompetenz der Internetnutzer haben könnte.

Eine Untersuchung von Robert Kraut, Professor für Human Computer Interaction an der Carnegie Mellon University, aus dem Jahr 1998 kam zu dem Ergebnis, dass verstärkte Nutzung des Internet ein zweischneidiges Schwert sein kann. Bei extrovertierten Menschen bewirkt es eine Erweiterung der sozialen Kontakte und eine stärkere Ausprägung der sozialen Kompetenzen. Im Gegensatz dazu kann es bei introvertierten Persönlichkeiten zu einer Verringerung der sozialen Kontakte führen. vgl. Extern, englischsprachig: Kraut 2004

James Katz und Ronald Rice führten in den Jahren 1995 und 2000 Untersuchungen der selben Problemstellung durch, gelangten allerdings zu einem etwas anderem Resultat. Ihre Analyse kommt zwar auch zu dem Schluss, dass extrovertierte und kommunikative Menschen ihre Kommunikationskompetenzen erweitern, über das neue Medium viele Bekanntschaften schließen und Kontakte zu Freunden und Familie auch über größere Distanzen aufrecht erhalten. Ihrer Erkenntnis nach profitieren aber auch weniger kontaktfreudige Charaktere vom vielfältigen Angebot an Kommunikationskanälen des Internet. vgl. Katz / Rice 2002

Tatsache ist, dass das Internet Mitgliedern von sozialen Randgruppen die Kommunikation innerhalb der eigenen Gruppe aber auch mit der "Außenwelt" erleichtert und somit hilft, die soziale Isolierung zu verhindern beziehungsweise zu überwinden. vgl. Extern, englischsprachig: Kaye 2004

Information als wertvolles Gut

Das Recht auf Zugang zu Informationen ist in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten aus dem Jahr 1950 verankert und fand Eingang in den Großteil der nationalen Gesetzgebungen der westlichen Welt. Viele sehen in diesem freien Zugang eine der wichtigsten Stützen einer demokratischen und freien Gesellschaft. Nicht umsonst verwehren totalitäre und diktatorische Systeme der Bevölkerung meist dieses Recht, um eine eigene und freie Meinungsbildung auf Basis von unabhängigen Informationen schon im Ansatz zu verhindern und somit den Weiterbestand des eigenen Systems sicherzustellen. vgl. Katz / Rice 2002

Historisch betrachtet waren Menschen beim Versuch an Informationen zu gelangen schon immer mit unterschiedlichsten kulturellen, politischen, physischen und geographischen Barrieren konfrontiert. Mit Hilfe des Internet wurde es möglich, viele dieser Hürden zu umgehen. Allerdings wurden die Barrieren teilweise nur verlagert beziehungsweise durch andere substituiert. Der Zugang zu Informationen ist prinzipiell durch das Internet einfacher geworden, wer aber keinen Zugang zum World Wide Web selbst hat, dem bleiben die Möglichkeiten dieses Mediums verschlossen. vgl. Katz / Rice 2002

Ohne diese Barrieren kann theoretisch jedermann über das Internet unendlich viele Informationen unkompliziert und nahezu in Echtzeit abrufen, bereitstellen und verteilen. Das Medium ermöglicht dem Nutzer aktive und interaktive Informationsbeschaffung, im Gegensatz zu den zur Passivität verurteilten TV-Zusehern oder Zeitungslesern, die nur bedingten Einfluss auf die Informationsauswahl haben.

Diese Informationsvielfalt birgt aber Gefahren. Es ist kommunikationswissenschaftlich erwiesen, dass ein vergrößertes Angebot an Informationen nicht zwangsweise zu vermehrtem Wissen und Verstehen, sondern unter Umständen sogar zu einer Verweigerung der Informationsaufnahme führen kann. Viele Internet-Nutzer sind mangels der Fähigkeit die Seriosität von Quellen bewerten zu können, nicht in der Lage, relevante Informationen von unwichtigen Inhalten zu trennen. Dieses Phänomen lässt sich sehr stark bei Internet-Neulingen (besonders bei Menschen mit niedrigem Bildungsgrad) erkennen, führt zu einer wahllosen Aufnahme von unerwünschten Informationen und in weiterer Folge einer negativen Haltung dem Medium gegenüber und endet in einer totalen Ablehnung. vgl. Extern: Filzmaier 2004

"Konsequenz ist, dass sich die Wissenskluft (knowledge gap) zwischen informierten Gruppen und vom Informationsfluss Ausgeschlossenen verschärft. Es kommt zur Spaltung in eine Klassengesellschaft von "usern" und "losern" oder "information haves/information rich" und "information have-nots/information poor". vgl. Extern: Filzmaier 2004

Exkurs: Das Problem der Digitalen Spaltung

Hinter dem Begriff "Digitale Spaltung" steht ein aktuelles gesellschaftliches Phänomen, das im Zusammenhang mit Barrierefreiheit näher erläutert werden muss. Damit ist prinzipiell die Aufteilung der Gesellschaft hinsichtlich der Nutzung und Akzeptanz neuer Medien in eine so genannte "Online-" und "Offline-Gesellschaft", die sich immer stärker abzeichnet, gemeint. Jener Teil der Bevölkerung, der Zugang zum Internet hat, der den Möglichkeiten dieses Mediums aufgeschlossen gegenüber steht, und diese auch nutzt, wird unter dem Schlagwort "Online-Gesellschaft" subsumiert. Menschen, mit Vorbehalten diesem Medium gegenüber und jene, die keinen Zugang zu den Inhalten haben und somit von der Nutzung generell ausgeschlossen sind, werden unter dem zweiten Begriff zusammengefasst. vgl. Extern: Krcmar / Wolf 2004

Für Mitglieder der Offline-Gesellschaft ergeben sich in unterschiedlichen Bereichen unter Umständen enorme Nachteile: Eine umfassende Medienkompetenz und der sichere Umgang mit dem Internet wird für manche Berufe oftmals als Grundvoraussetzung angesehen. Zahlreiche Jobs werden ausschließlich über das Internet ausgeschrieben und vermittelt, viele Dienstleistungen (z.B. Online Banking, etc.) werden verstärkt online angeboten.

Menschen, die auf konventionelle Services angewiesen sind (und natürlich auch jene, die in der Nutzung der neuen Technologien durch unterschiedliche Barrieren behindert werden), verfügen nicht über die gleichen Möglichkeiten wie jene, die mit dem Internet vertraut sind und es uneingeschränkt nutzen können. Um diese Barriere zu überwinden wurden von der Deutschen Bundesregierung Initiativen wie beispielsweise "Internet für alle", "Schulen ans Netz" und "Frauen ans Netz" ins Leben gerufen. vgl. Extern: Krcmar / Wolf 2004