Barrierefreies Webdesign ein zugängliches und nutzbares Internet gestalten

Das Internet hören und fühlen geschrieben von Niki Slawinski (2005)

Die Entwicklung der Kommunikationshilfsmittel für Blinde

Um die gegenwärtige Bedeutung des Internets für Blinde zu verdeutlichen, werfe ich zunächst einen Blick in die Vergangenheit und liefere einen historischen Abriss über die Entwicklung der Hilfsmittel (vor allem technischer Natur) für Blinde. Dabei wandere ich zunächst von der Antike bis ins elektronische Zeitalter, um dann die Entwicklungen des Informations- und Kommunikationszeitalters eingehend zu beschreiben.

Von der Antike bis ins EDV-Zeitalter

Mit Blick auf Blindenschriften gibt es den Ausführungen Hilbergs zufolge schon früh in der Menschheit spezielle Kommunikationshilfsmittel für Blinde, wie Kerbstäbe bei den Ureinwohnern Australiens, die noch heute im Gebrauch sind, und Knotenschnüre bei den Inkas.

Im 19. Jahrhundert erkennt Charles Barbier de La Serre, dass der tastende Finger erhobene Punkte viel besser wahrnehmen kann als buchstabenförmige Erhebungen. Im Jahr 1819 entwirft er eine Punktschrift, welche die Grundlage für die heute bekannte Braille-Schrift darstellt. Dieses noch heute verbreitete 6-Punkte-Blindenschriftsystem wird 1825 von Louis Braille entworfen. Braille war Schüler der 1784 eröffneten Pariser Blindenbildungsanstalt (vgl. Hilberg 1989 S. 7. Um 1900 herum setzt sich die Braille-Schrift in Europa durch, da über sie schnell und sicher Darstellungen ertastet werden können. Des Weiteren lässt sie sich mit den 63 Zeichen auf alle alphabetischen Sprachen anwenden.

In Bezug auf die Fortbewegung blinder Menschen erklärt das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung:

Früher wurden blinde Menschen meist von Sehenden geführt oder bewegten sich in ihrer unmittelbaren vertrauten Umgebung vorsichtig tastend fort (vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 2001 S. 21.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Aktionsradius blinder Menschen durch Blindenführhunde erheblich vergrößert (vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung 2001 S. 21.

Durch die elektronische Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweitern sich die Möglichkeiten für Blindengeräte. Schopper weist 1969 in dem Magazin "horus" auf den Elektro-Brailler hin (vgl. Schopper 1969 S. 31. Dieser kann nicht nur mit der Punktschriftbogenmaschine, sondern auch mit einer normalen Schwarzdruckschreibschine verwendet werden.

Die Kommunikationssituation der Blinden im Jahr 1971 schildert J.C. Swail (vgl. Swail 1971 S. 5. Swail konstatiert, dass es für Blinde immer noch nicht möglich ist, die eigene Post zu lesen. Sie müssen dabei "auf den freiwilligen Vorleser" hoffen. Auch irgendein Buch schnell zu erhalten ist für Blinde schwierig. Alle Weiterentwicklungen im Bereich der Lesehilfen sind für die "Bedürfnisse eines angespannten Berufstätigen" nicht geeignet (vgl. Swail 1971 S. 6. Für diese Zielgruppe bietet nach Swails Auffassung im Jahr 1971 der Computer, der mehrere Eingabeformen ermöglicht, die Lösung des Problems. Swail wünscht sich eine Verbreitung des Computers. Aufgrund der hohen Kosten schlägt er zentrale Bildungseinrichtungen vor, wie Bibliotheken und Schulen, in denen Computeranlagen für blinde Menschen bereit stehen sollten. Im Jahr 1971 sind die wichtigsten Hilfsmittel noch "Braille-Druck, Hörbücher und freiwillige Vorleser", aber der Fortschritt der Technik lässt Swail hoffen, dass Blinde beim Lesen bald fast völlig unabhängig agieren können.

Im Jahr 1982 scheint nach den von Hilberg zitierten Ergebnissen einer Infratest-Statistik das Telefon das wichtigste Kommunikationshilfsmittel zu sein (vgl. Hilberg 1989 S. 14. Es ist in 86 Prozent der Blindenhaushalte zu finden. Durchschnittlich zwei Mal am Tag telefonieren Blinde. Als Informationsquelle für aktuelle Tagesereignisse nutzen 94 Prozent der Blinden das Radio, 59 Prozent das Fernsehen und 47 Prozent die Tagespresse. Allerdings, so weist Hilberg bei der Wiedergabe der statistischen Zahlen darauf hin, werden diese Ergebnisse durch die hohe Anzahl der Altersblinden beeinflusst, von denen die meisten nicht die Punktschrift beherrschen und deshalb auf die akustische Kommunikation zurückgreifen müssen.

In den 80er Jahren scheinen sich die Medien und dadurch auch die Welt zu verändern: Das Informations- und Kommunikationszeitalter bricht an, welches sich in den 90er Jahren entfalten wird. Von der "veränderten Welt" spricht Liechti bei seinen Ausführungen über das "Blindsein in unserer modernen Medienkultur" 1988 auf dem Blindenlehrer-Kongress (vgl. Liechti 1988 S. 261. Die Computertechnologie würde für die Umstrukturierung unserer Kommunikationswelt sorgen. Liechti plädiert dafür, Medienpädagogik zum Thema der Blindenschulen zu machen, damit blinde Schüler den verantwortungsvollen Umgang mit Information und die unterschiedlichen Rezeptionsmöglichkeiten von Medieninhalten erlernen können (vgl. Liechti 1988 S. 273.

Hilberg bewertet die Kommunikationssituation der Blinden im Jahr 1988 folgendermaßen (vgl. Hilberg 1989 S. 43. Komplexe Computerarbeitsplätze bieten Blinden viele Möglichkeiten, nehmen allerdings auch viel Platz ein. Der Blinde hat über seinen Computerarbeitsplatz die Möglichkeit, seine eingegebenen Texte sowohl in Braille- als auch in Schwarzschrift auszudrucken. Geübte Blinde können auf der normalen Tastatur genauso schnell tippen wie auf der Brailletastatur. Bei den Brailledruckern stellt sich die Papierzufuhr für Blinde als Problem dar. Die haptische (über den Tastsinn) bzw. schriftliche Kommunikation hängt sehr von den Punktschriftkenntnissen der Kommunikationspartner ab. Für einen Blinden ist es möglich, mit einem Sehenden schriftlich zu kommunizieren, wenn der erstere in der Lage ist, über den Computer Schwarzschrifttexte zu erzeugen. Allerdings sind die Kosten für blindenspezifische Hilfsmittel zum Drucken für die meisten Blinden zu hoch. Eine häufig genutzte Alternativgölmkädvge sind Kassetten mit aufgezeichneter Sprache, die dann zwischen blinden und sehenden Kommunikationspartnern ausgetauscht werden.

Probleme treten hierbei auf, wenn man sich während der Aufzeichnung in einer lauten Umgebung befindet oder sich beim Abspielen mit anderen Personen in einem Raum befindet, die dann alle mithören können. Das sind die Gründe, warum doch viele Blinde, wenn möglich, auf die haptische Kommunikation zurückgreifen. Ein wichtiges Hilfsmittel für Notizen unterwegs ist auch im Jahr 1988 die kleine Schreibtafel, in denen mit einem Griffel die Punktschrift eingestanzt wird (vgl. Hilberg 1989 S. 14. Da dieses Hilfsmittel sehr langsam ist, bemühen sich Firmen seit einigen Jahren elekronische Notizgeräte möglichst klein und tragbar zu gestalten. Allerdings sind diese noch nicht sehr komfortabel.

Die wichtige Rolle, die der EDV-Bereich als informations- und kommunikationstechnisches Hilfsmittel bereits im Jahr 1988 eingenommen hat, erläutert Kalina in einem Beitrag (vgl. Kalina 1988 S. 176. Er beschreibt die Kommunikationssituation folgendermaßen.

(...): heute können Blinde vielfach mit der gleichen Standardsoftware arbeiten wie Sehende - ein vom Integrationsstandpunkt aus gesehen sehr wichtiger Umstand(vgl. Kalina 1988 S. 176.

Diese Situation der gleichberechtigten EDV-Nutzungsmöglichkeit ist allerdings durch eine Weiterentwicklung bedroht: die grafische Benutzerführung. Zum technischen Verständnis muss man wissen, dass man den Computer in den Anfangsjahren über Textbefehle, die zeilenweise eingegeben wurden, gesteuert hat (Stichwort MS-DOS). Dies war eine ideale Grundlage für Blinde, um über Braillezeile oder Sprachausgabe den Text einzugeben bzw. zu erfassen (vgl. Kalina 1988 S. 176. Im Jahr 1988 erkennt Kalina einen Trend zur grafischen Darstellung und nennt das "WYSIWYG-Prinzip", wobei die Abkürzung für "What you see is what you get" steht, was bedeutet, dass man z.B. einen Text schon am Bildschirm mit all seinen Formatierungen sieht, so, wie er dann auf dem Ausdruck erscheint. Die Eingabe erfolgt dabei neben der Tastatur zunehmends über die Maus.

Was für Sehende eine Vereinfachung darstellt, ist für Blinde ein Problem, da sich die Brailleausgabe nicht mit der Grafik verträgt. Die Situation, in der Sehende und Blinde mit der gleichen Standardsoftware arbeiten können, könnte durch die grafische Benutzerführung beendet werden. Kalina stellt in Frage, ob es in Zukunft noch EDV-Anwendungsbereiche geben wird, in denen die Grafik keine beherrschende Rolle spielen wird und weist darauf hin, dass es noch keine konkreten Lösungsansätze für das Problem der Grafiken gibt (vgl. Kalina 1988 S. 177.

Im Jahr 1988 startet bundesweit an sechs Schulen ein Modellversuch mit dem Titel "Moderne Kommunikationstechniken im integrativen Unterricht mit Blinden und hochgradig Sehbehinderten", kurz MOFIBS (vgl. Lindner 1989 S. 130. Das Hauptziel des Modellversuches ist es, die Dauer der Bearbeitung eines Textes in Punktschrift auf ein Minimum zu senken (vgl. Lindner 1989 S. 131. Als wichtige Grundlage des Versuchs wird eine elektronische Datenbank entwickelt. Für das Scannenvon Texten wurden OCR-Lesegeräte und OCR-Software verwendet. Das Scannen von gefaxten Dokumenten gestaltet sich aufgrund der schlechten Druckqualität als schwierig. Auch die Übertragung von digitalisierten Texten über ein Modem ist aufgrund der langsamen Geschwindigkeit und den dadurch resultierenden hohen Telefonkosten unbefriedigend (vgl. Lindner 1989 S. 132. Durch diese geschilderten Erkenntnisse erhalten wir einen weiteren Einblick in die technischen Möglichkeiten im Jahr 1988.

Die widersprüchliche Entwicklung des Internets

Das in den 80er Jahren begonnene Informations- und Kommunikationszeitalter entfaltet sich in den 90er Jahren durch neue Technologien. Die Verbreitung von Schlagworten wie "Mailbox", "Telekommunikation" und "Multimedia" läuten den Einzug des Internets ein. Anfang der 90er findet das Internet allerdings noch keine große Beachtung, sondern wird nur als eine Möglichkeit unter vielen genannt.

Im Jahr 1992 berichtet Kalina über den neuen Telekommunikationsservice BLISTA-Mailbox (vgl. Kalina 1992 S. 118. Dieser Informations- und Kommunikationsservice wurde von der Deutschen Blindenstudienanstalt Marburg (BLISTA) in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung Wiesbaden (HIBS) eingerichtet. Eine Mailbox beschreibt Kalina als Computer, der über ein Modem mit anderen Computern Daten austauschen kann. Die Mailbox-Nutzer können mit anderen Teilnehmern persönliche Nachrichten austauschen. Der Vorteil im Vergleich zur Punktschrift ist, dass die Mailbox von Blinden und Sehenden gleichermaßen als Kommunikationsinstrument genutzt werden kann. Die Blinden benötigen, so Kalina weiter, neben einem Computer Zusatzgeräte wie Punktschriftzeile und Sprachausgabe. Die Nutzer können die Mailbox aber auch zum Informationsabruf nutzen. Es gibt thematisch gegliederte "Schwarze Bretter", in das jeder Informationen wie Veranstaltungshinweise, Kleinanzeigen oder auch Unterrichtsmaterialien und Softwareprodukte veröffentlichen und abrufen kann.

Mehrere Mailboxen können miteinander vernetzt werden und diese wiederum können an weitere, bereits bestehende Netze angeschlossen werden (vgl. Kalina 1992 S. 119. Als Beispiele nennt er die Netze MagicNet, PC-Net, Zerberus-Netz und das HIBS-Netz, an welches auch die BLISTA-Mailbox angeschlossen ist. Kalina betont, dass die BLISTA-Mailbox zunächst ein Versuch ist und mögliche Erweiterungen von der Resonanz abhängen (vgl. Kalina 1992 S. 120. Als interessante Ausbaumöglichkeiten des Dienstes führt Kalina die Nutzung von Bildschirmtext (BTX) oder den Zugang zu internationalen Telekommunikationsnetzen wie CAMPUS 2000 oder zu weltweiten Netzen "im wissenschaftlichen Bereich wie z.B. BITNET und INTERNET". Diese Ausführung Kalinas verdeutlicht, dass zu Beginn der 90er Jahre das Internet ein Netz unter vielen war - ohne führende Position.

Auch im Jahr 1994 wird das Internet als eine Technologie neben anderen behandelt. Weiss erläutert in seinem Beitrag intelligente Kommunikationshilfen für Blinde (vgl. Weiss 1994 S. 12-13. Die thematisierten Hilfen beziehen sich auf den Bereich der Texterkennungssoftware. Bisher, so Weiss, muss ein Blinder den eingescannten Text Zeile für Zeile durcharbeiten. Durch die im Projekt PASCAL 2000 entwickelte "intelligente Kommunikationshilfe" soll es bald möglich sein, dass der blinde Nutzer den Text über konkrete Befehle durchgehen kann wie z.B. "Nenne mir den Absender!" oder "Handelt es sich um eine Rechnung?".

Heuer gibt, ebenfalls im Jahr 1994, einen "Überblick über die Chancen der elektronischen Telekommunikation für Sehgeschädigte" und erwähnt, wie Weiss, das Internet als eine Möglichkeit unter vielen (vgl. Heuer 1994 S. 141. Zunächst widmet er sich der Möglichkeit der Verkopplung von privaten PCs, um z.B. den Chat-Modus, auch "Schwatz-Modus" genannt, zu nutzen (vgl. Heuer 1994 S. 142. Diese technologische Möglichkeit wird nach Heuers Ansicht häufig unterschätzt. Als zweite Möglichkeit geht er auf die Mailbox-Systeme ein, welche einen schnellen Datenaustausch ermöglichen. Überschätzt wird seiner Meinung nach in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Mailboxen als Informationsträger.

Als weitere elektronische Telekommunikationsmittel führt Heuer die Netze der Telekom, Datex-J (BTX) und Datex-P auf. Der Vorteil von BTX liegt in der Fülle von Informationen. Der Nutzer kann auf über 700.000 Informationsseiten von über 3.000 Anbietern zurückgreifen (vgl. Heuer 1994 S. 143. Bei dieser Menge an Informationen könnte sich der Nutzer im ersten Moment erdrückt fühlen, allerdings wird dieser schnell merken, dass nur wenige Informationen für ihn von Interesse sind. Ein praktischer Service für Blinde stellt der Homebanking-Service mit BTX dar (vgl. Heuer 1994 S. 143. Dieser Service ist ein großer Schritt in Richtung unabhängiger Lebensführung, da Blinde über ihn z.B. Kontoauszüge vorlesen lassen und eigenständig Überweisungen tätigen können. Heuer bringt es auf den Punkt: "BTX ermöglicht das Bankgeheimnis erstmals auch für Blinde". Der große Nachteil von BTX liegt in der langsamen Datentransfergeschwindigkeit von 2.400 Baud, die einen schnellen Textdaten- und Programmtransfer nicht ermöglichen (vgl. Heuer 1994 S. 142.

Ein weiterer Nachteil sind die hohen Gebühren, welche die Verbreitung individueller Postfächer verhindern. Die hohen Gebühren sind für Blinde besonders ärgerlich. Bei dem Datex-P-Netz, auf welches Heuer nur kurz als Hilfsmittel-Möglichkeit eingeht, wird über Grund- und Nutzungsgebühr abgerechnet. Es bietet ebenfalls, wie BTX, die Zugriffsmöglichkeit auf unterschiedliche Netze, wie z.B.) JURIS mit juristischen Informationen. Das Telefax erfreut sich laut Heuer "gerade in den letzten Jahren einer rasant steigenden Beliebtheit" (vgl. Heuer 1994 S. 143. Vor allem als Sender erhalten Blinde mit dem Telefax interessante neue Kommunikationsmöglichkeiten. Ohne fremde Hilfe kann ein Blinder einen Text erstellen und innerhalb weniger Sekunden an einen Sehenden, der sich fernab vom Entstehungsort befindet, senden. Die Möglichkeit der "elektronischen Fernkopie" wird nicht nur beruflich, sondern auch privat genutzt. Täglich werden tausende Faxe versendet, so Heuer. Beim Fax ist eher der Empfang für Blinde problematisch. Die gedruckten Fax-Inhalte müssen mittels Scannen und OCR-Software (OCR-Optical Character Recognition) digitalisiert werden. Die Resultate stellen sich aufgrund von minderer Druckqualität und schlechter Vorlagen, wie Handschriftliches, als unbefriedigend dar. Als weitere Alternative für den Informationsabruf erwähnt Heuer die Technik Videotext, welche ein sehr vielseitiges und vor allem aktuelles Informationsangebot bereitstellt (vgl. Heuer 1994 S. 144. Sehende können diesen Service über Fernsehapparate nutzen. Blinde erhalten über einen Video-Adapter, der 500 DM kostet, Zugriff auf den Videotext-Dienst.

Das Videotext-Sytem können die Nutzer bisher allerdings nur als Rezipient und nicht als Kommunikator nutzen. Der große Vorteil liegt laut Heuer in der preisgünstigen Nutzungsmöglichkeit, da neben den Kabelanschlussgebühren keine weiteren Nutzungsgebühren anfallen. Erst nach den oben aufgeführten sechs Technologien greift Heuer die Computer-Netze auf und zieht als Beispiel das Internet und das Bitnet aus dem "Hochschulbereich" heran (vgl. Heuer 1994 S. 144. Wie auch bei den Mailboxen und bei BTX kann der Nutzer über das gewöhnliche Telefonnetz einen Zugang erhalten. Komfortabler sei allerdings ein Direktzugang mittels Standleitung, wodurch Übertragungsgeschwindigkeiten von über 64 Kilobyte (KB) pro Sekunde erreicht werden können. Gerade diese Geschwindigkeit stellt einen großen Vorteil gegenüber der Mailbox, Datex-J (BTX) und Datex-P dar. Des Weiteren sind die Nutzungsmöglichkeiten vielseitig: Den Austausch von Text- und Programm-Dateien, das Mitteilen von Nachrichten an einen oder mehrere Adressaten, die Verwaltung von riesigen Softwarepaketen auf einem Server, die Nutzung von themenspezifischen Nutzergruppen (user groups) und die Verfügbarkeit von umfangreichem Recherchematerial ermöglichen Computernetze wie Internet und Bitnet.

Wie bereits erwähnt ist die hohe Übertragungsgeschwindigkeit der große Vorteil des Internets. Diese resultiert u.a. daraus, dass über eine Million Rechner zu einem Netzwerk zusammen geschlossen sind. Ein weiterer Vorteil des Internets ist, dass man über dieses Netz Zugang zu den sogenannten Gopher-Systemen, weltweit zugängliche und für Recherche-Zwecke hilfreiche Datenpools, erhält. Der große Nachteil der Computernetze ist der hohe Preis zur Anmietung von Standleitungen, der sich im 5- bis 6-stelligen DM-Bereich bewegt (vgl. Heuer 1994 S. 145. Aus diesem Grund kommen diese Netze im Privatleben kaum zum Einsatz. Neben der oben wiedergegebenen Übersicht über die technischen Hilfsmittel liefert Heuer mit Blick in die Zukunft vier grundsätzliche Thesen, welche die "Relevanz und Tragweite des Themas Telekommunikation für Sehgeschädigte" verdeutlichen sollen (vgl. Heuer 1994 S. 141-142.

  1. Die textbasierte Telekommunikation ermöglicht Blinden und Sehenden die gleichen Chancen.
  2. Wie bei Sehenden gibt es bei auch bei Blinden die einen, die die EDV-Technik aufgeschlossen annehmen und andere, die sie ablehnen.
  3. Das Bedürfnis nach umfassender Informationsversorgung in Beruf und Freizeit wird durch die vernetzten Systeme nicht befriedigt werden können.
  4. Die textbasierte Bildschirmausgabe und damit die Chancengleichheit blinder und sehender Nutzer ist im Bereich der Telekommunikation durch die Entwicklung grafischer Bedienoberflächen gefährdet.

Im Jahr 1994 stand das Internet noch im Schatten von Telefax, Videotext, BTX und lokalen PC-Netzwerken. Heuer räumt den weltweiten Computernetzen wie Bitnet und Internet keine Marktchancen ein - siehe oben und (vgl. Heuer 1994 S. 145. Das technologische Potenzial des Internets, vor allem aufgrund der schnellen Datentransfergeschwindigkeit, ist zu diesem Zeitpunkt zwar offensichtlich, allerdings verhindern die hohen Kosten für die Standleitung die Verbreitung unter Privatanwendern. Dies wird sich ändern, wodurch das Internet wider Heuers Vermutung eine starke Verbreitung erfahren wird. Doch mit seiner vierten These (siehe oben) lag Heuer richtig, denn kurz nachdem das Internet als Medium ein großes Thema wurde, wurde es von dem Aspekt fehlender "Barrierefreiheit" der Internetseiten eingeholt und es ging fortan vor allem um Barrieren, welche den Informations- und Kommunikationszugang u.a. für Blinde erschweren - siehe oben und (vgl. Heuer 1994 S. 145.

Den großen Veränderungsprozess durch das Informationszeitalter, den Liechti 1988 ankündigte, bestätigt Hertlein zehn Jahre später ebenfalls beim Blindenlehrer-Kongress mit Blick auf die vergangenen Jahre (vgl. Liechti 1988 S. 261-273, (vgl. Hertlein 1998 S. 517-533. Das Erfassen und Verteilen von Informationen "boomt", wodurch neue Berufsfelder entstehen, so Hertlein.

Waren noch vor Jahren Fernsehen, Rundfunk, Schallplatte, Kassette, Tageszeitung und Illustierte sowie das Buch die wesentlichen Quellen von Information, Gespräch, Telefon und Brief die wesentlichen Quellen von Kommunikation, so nehmen heute zunehmend computergesteuerte Informations- und Kommunikationstechnologien immer größeren Raum ein (vgl. Hertlein 1998 S. 517.

Kinder wachsen mit den neuen Medien auf, meint Hertlein. Seine Tochter setzte sich schon mit fünf Jahren an den Rechner, schrieb Texte und malte Bilder(vgl. Hertlein 1998 S. 517. Ausbildung, Beruf und Freizeit werden zunehmend von den neuen Technologien geprägt. Ohne Zugang zu diesen Informationen ist eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nur schwer vorstellbar. Ohne Kenntnisse im Umgang mit dem Computer ist eine Berufsausbildung und Berufsausübung nicht mehr möglich. Hertlein fordert von den Schulen, dass sie sich auf diesen Prozess einstellen und an die sehgeschädigten Kinder Computerkenntnisse vermitteln. Neben Ausweitung der Kompetenzen muss für die notwendigen technischen Voraussetzungen gesorgt werden, d.h. Sprachausgabe, Braillezeile und Großschriftsystem müssen den jeweiligen Soft- bzw. Hardwarekonfigurationen angepasst sein. Auch im Individualfall muss die notwendige computertechnische Technologie beschaffen werden (vgl. Hertlein 1998 S. 508. Versäumnisse auf diesem Gebiet könnten sich "katastrophal" auswirken. Er verweist auf den Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, welches die Benachteiligung Behinderter verbietet (S. 501). Es muss dafür gesorgt werden, dass Blinde und Sehbehinderte beruflich und gesellschaftlich eingegliedert sind (S. 508).

Im Jahr 1999 prognostiziert Hanke bereits das Ende der Internetzugänglichkeit für Blinde und Sehbehinderte (vgl. Hanke 1999 S. 22. Hanke zählt Techniken auf, welche Sehgeschädigte schon heute vom Internetangebot ausgegrenzen. Dazu gehören Grafiken, Frames, JavaScript und Java. Hanke verweist, wie auch Hertlein (s.o.), auf das Grundgesetz. Neben Artikel 3 führt Hanke zusätzlich Artikel 5, nämlich das Recht auf freien Zugang zur Information, an (vgl. Hanke 1999 S. 22. Hanke stellt folgende Forderungen an Internetanbieter (S. 23):

Den Aufwand für die barrierefreie Gestaltung von Internetauftritten schätzt ein sachkundiger Pressesprecher eines Blindenverbandes, Jens Bertrams, nach Angaben von Hanke gering ein (vgl. Hanke 1999 S. 23. Es muss oft nur eine einzige zusätzliche Textseite erstellt werden, was kaum mehr als eine Stunde dauert. Um in der Öffentlichkeit auf die Problematik der Barrierefreiheit aufmerksam zu machen, wurde der "Gordische Knoten" als Prämierung besonders guter und besonders schlechter Beispiele von Internetangeboten ins Leben gerufen, so Hanke (vgl. Hanke 1999 S. 23. Im Jahr 1998 wurde u.a. der WDR als erster für die vorbildliche behindertengerechte Gestaltung seiner Internetseiten gekürt.

Drolshagen weist 1999 im Rahmen eines bundesweiten Erfahrungsaustausches behinderter Studierender ebenfalls auf die widersprüchliche Entwicklung des Internets hin: Auf der einen Seite stellt das Internet eine interessante Informationsquelle für blinde, seh- und mobilitätsbehinderte Studierende dar(vgl. Drolshagen 1999 S. 195. Diese Gruppe hat es generell schwer, über herkömmliche Wege (Bibliothek u.ä.) an Informationen zu kommen. Mit dem Internet könne sie ohne fremde Hilfe und ohne große Mühe nach Literatur recherchieren. Andererseits scheint dieser "Nachteilsausgleich" durch die derzeitige Gestaltung der Internetseiten wieder rückgängig gemacht. Spaltendarstellungen, fehlende Grafikbeschriftungen und unübersichtliche Suchmenüs verhindern die Möglichkeit der Recherche.

Hellbusch führt die rasante Entwicklung der Web-Technologien als Grund für die entstandenen Kompatibilitätsprobleme heran (vgl. Hellbusch 2000a S. 16. Schon mit älteren Browsern oder mit geringen Bildschirmauflösungen kann es - unabhängig vom Blindsein - zu Problemen kommen, wenn man modern programmierte Internetseiten betrachten möchte. Auch nach Ansicht von Warnke, der sich in einem Interview mit dem Fachmagazin c't äußert, stellt sich die technologische Entwicklung für Blinde und Sehbehinderte widersprüchlich dar.

Theoretisch werden uns zwar neue Tätigkeitsfelder eröffnet, aber spezielle PC-Anwendungen müssen erst mit größtem Aufwand an unsere Hilfsmittel angepasst werden (vgl. Warnke 2000 S. 201.

Nachdem der PC in den 80ern vielen Sehgeschädigten eine Möglichkeit eröffnet hat, aktiv ins Berufsleben einzusteigen, erschwert ihnen die nun komplexer werdende Computer- und Internettechnologie zunehmends den Einsatz der notwendigen Hilfsmittel. Diese widersprüchliche Entwicklung möchte ich anhand folgender Abbildung veranschaulichen.

Grafik über die Schere abnehmender Chancengleichheit. Sie enthält folgende Rahmendaten: 1988: Chancengleichheit im EDV-Bereich, erste Bedrohung durch grafische Benutzeroberflächen. 1992: Blista-Mailbox. 1995: Internet bietet neue Möglichkeiten. Seit 1995: das Internet entwickelt sich weiter, aber es entstehen auch neue Barrieren. Abb. 05: Schere der abnehmenden Chancengleichheit Der EDV-Bereich mit der textbasierten und zeilenweisen Befehlseingabe eröffnet Sehgeschädigten und Blinden Ende der 80er gleiche Chancen. Grafische Benutzeroberflächen halten aber langsam Einzug, die Möglichkeiten nehmen einerseits zu (verdeutlicht durch die dicker werdende Linie), aber während die Sehenden eine vereinfachte Bedienungsmöglichkeit erhalten, wird es für Sehgeschädigte schwerer, ihre Hilfsmittel einzusetzen. Mailboxen und kurz danach das Internet bieten weitere neue Nutzungsmöglichkeiten, aber die Chancengleichheit scheint bei der Bedienungsmöglichkeit weiter abzunehmen. Die Schere geht wieder auseinander. Die weitere Entwicklung bzgl. der Gleichberechtigung ist unklar (gestrichelte Linie).

Die Bewegung zum Barrierefreien Webdesign

Bereits im Jahr 1996 setzten sich Interessensvertreter von Blinden- und Sehbehindertengruppen mit den Folgen der Informationsgesellschaft auseinander. Die Rufe nach einem barrierefreien Zugang zu allen Medien wurden mit jedem Jahr lauter. Spätestens im Jahr 1999, also noch im selben Jahr, in dem Hanke den Untergang des Internets als Informationsmedium für Blinde heraufbeschwört (siehe Kapitel "Die widersprüchliche Entwicklung des Internets"), wird die Richtung zum "Barrierefreien Webdesign" offiziell eingeschlagen (vgl. Hellbusch 2001 S. 224. Hellbusch weist auf die Zugänglichkeitsrichtlinien der Web-Accessibility-Initiative (WAI), ein Organ des World Wide Consortiums (W3C), hin, welche 1999 veröffentlicht wurden und damit eine Grundlage für alle weiteren Forderungskataloge darstellen werden (vgl. Hellbusch 2001 S. 224, (vgl. Hellbusch 2000b S. 215. Doch der Einzug des barrierefreien Webdesigns steht immer noch am Anfang. Im Jahr 2000 konstatiert Hellbusch, dass im Internet zunächst nur die Massen bedient werden.

(...) das heißt, die Programmierung hebt auf einen Durchschnitt ab, was mit 90 % beziffert werden kann. Die restlichen 10 %, und dazu gehören auch Sehbehinderte und Blinde, haben oft zunächst das Nachsehen (vgl. Hellbusch 2000a S. 16.

Eine Ursache liegt darin, dass Webdesigner nach Angaben von Hellbusch oftmals gar nicht wissen, "dass Blinde und Sehbehinderte überhaupt mit einem Computer umgehen können" (vgl. Hellbusch 2000b S. 215. Die meisten der Webdesigner kennen die Hilfsmittel wie Screenreader, Braillezeile und Sprachausgabe nicht. Für sie ist der Bildschirm der einzige relevante Ausgabemodus und die Maus das wichtigste Eingabegerät.

Unwissen ist nach Hellbuschs Ansicht das Hauptkriterium für die langsame Umsetzung der 1999 veröffentlichten Richtlinien der WAI (siehe oben), denn die barrierefreie Gestaltung ist nicht schwer und muss auch nicht teuer sein (vgl. Hellbusch 2000b S. 218.

In den folgenden Jahren entwickelt sich "Barrierefreies Webdesign" zu einem großen Thema. Durch Arbeitsgruppen, Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit unterschiedlicher Interessensgruppen von Blinden und Sehbehinderten nimmt die Multimedia-Branche die Problematik wahr (vgl. Warnke 2000 S. 201. Webdesigner kommen auf die Verbände zu und wünschen Aufklärung. In Blinden-Zeitschriften wird näher beleuchtet, auf was Webdesigner bei der barrierefreien Gestaltung achten müssen. Während Hanke 1999 in seinem Beitrag noch drei Punkte für den Bereich Webdesign forderte - spezielle Navigationsseite, beschriftete Grafiken und sehbehindertengerechte Farbgebung - wachsen die von Interessensvertretern und Experten aufgeführten Forderungskataloge nach und nach an. Das mag zum Einen mit der Veröffentlichung der WAI-Richtlinien im Jahr 1999 (siehe oben), aber auch mit der Weiterentwicklung der Website-Erstellung, welche neue Barrieren nach sich zieht, zusammen hängen. Grote zählt im Jahr 2000 folgende Barrieren auf (vgl. Grote 2000 S. 57-58:

Im Gegensatz zu Hanke, erwähnt Grote die Punkte JavaScript und Java nicht. Sein Lösungsvorschlag fällt allerdings umfangreicher als der von Hanke aus: Websites sollen parallel zur grafischen Version einen Textmodus als Alternative beibehalten(vgl. Grote 2000 S. 58. Allerdings, so befürchtet Grote, könne solch eine Forderung ohne Unterstützung des Gesetzgebers nicht durchgesetzt werden.

Warnke fordert ebenfalls: Jede Information müsse auch textbasiert zur Verfügung stehen (vgl. Warnke 2000 S. 202. Warnke geht noch auf eine andere Barriere ein: die besonderen Kenntnisse, welche Blinde und stark Sehbehinderte besitzen müssen, wenn sie den Computer nutzen und im Internet surfen möchten. Um die Herausforderung mit anderen Bereichen zu vergleichen, zieht Warnke die Weltraumfahrt heran.

Vielleicht ist die Weltraumfahrt eine vergleichbare Herausforderung, wenn man bedenkt, dass Blinde und Sehbehinderte den Windows-Bildschirm hochkonzentriert mit sehr viel Hightech erforschen und oftmals in für sie noch "unerreichte" Regionen zeilenweise vorstoßen (vgl. Warnke 2000 S. 202.

Die Beherrschung der Hilfsmittel stellt demzufolge sehr große Herausforderungen an die blinden Nutzer. Wie schwierig es sein kann, als Mensch mit Behinderungen das Internet-Angebot zu nutzen, zeigt auch eine Studie der Nielsen Norman Group (NNG), welche im Jahr 2001 veröffentlicht wurde, und deren Ergebnisse Hellbusch wiedergibt (vgl. Hellbusch 2001 S. 224. Bei dem Test benötigten Screenreadernutzer für die Bewältigung vorgegebener Aufgaben mehr als doppelt so viel Zeit wie Nicht-Behinderte. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass neben den Ergebnissen keine Angaben über die Fähigkeiten der Probanden gemacht wurden, diese aber eine große Rolle spielen.

Einen großen Schub erfährt das Thema "Barrierefreies Webdesign" durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen, kurz Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das am 1. Mai 2002 in Kraft tritt, und damit die Befolgung der Barrierefreie Informationstechnik Verordnung (BITV) auf Bundesebene vorgibt (vgl. Hellbusch 2005b S. 39, (vgl. Warnke 2004 S. 111. Bis zum 31. Dezember 2005 müssen alle Internetseiten der Behörden der Bundesverwaltung barrierefrei gestaltet sein (vgl. Hellbusch 2005b S. 41 und S. 359. Diese Frist sorgt für eine regelmäßige Belebung des Themas. Die BITV hat die 1999 veröffentlichten WAI-Richtlinien (siehe oben) zur Grundlage. Die einzelnen Bedingungen der Verordnung behandle ich ausführlich im Kapitel "Vorgaben für barrierefreies Webdesign". Auch heute noch werden die Vorgaben der WAI-Richtlinien nicht von allen Webdesignern berücksichtigt. Noch im Jahr 2004 betont Warnke die Relevanz der WAI-Richtlinien (vgl. Warnke 2004 S. 111 und vermerkt, dass diese immer noch "Maßstab für modernes Webdesign" sind (S. 112). Im Jahr 2005 erscheint ein Buch, das sich allein dem Thema "Barrierefreies Webdesign" widmet. Hellbusch geht auf 382 Seiten ausführlich auf die BITV und die Hintergründe ein und hat damit das erste Standardwerk zu diesem Thema geschaffen (vgl. Hellbusch 2005b .

Damit nicht nur von Behörden die Aspekte des Barrierefreien Webdesigns berücksichtigt werden, wird das Thema immer wieder auch in Bezug auf private und kommerzielle Angebote angesprochen. So spricht der Bundesverband für Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. eine Empfehlung zur Barrierefreiheit von E-Commerce-Shops aus und möchte damit Sensibilität von Shop-Betreibern für das Thema Barrierefreies Webdesign "schärfen" (vgl. horus 2004 S. 259.

Es soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass das Internet nicht die einzige Technologie ist, die um die Jahrtausendwende mit der Forderung nach Barrierefreiheit konfrontiert wird. So führt Brass weitere Technologien auf, die von gegenwärtiger Bedeutung für sehgeschädigte Menschen sind: Pager, Bank- und Ticketautomaten, Chipkarten, Haushaltsgeräte mit Display und GPS (global positioning systems) (vgl. Brass 2000 S. 56. Doch beim Internet sind die Rufe nach Barrierefreiheit besonders "laut". Das liegt sicherlich auch an dem großen Potenzial, welches es Nutzern bietet. Auf dieses gehe ich im folgenden Kapitel ein.

Das Potenzial des Internets im Vergleich zu Alternativen

Das große Potenzial des Internets ist seine Vielfältigkeit, die sich in allen Bereichen widerspiegelt. So ermöglicht es Sehenden wie auch Blinden die beidseitige Kommunikation mit einem bis hin zu theoretisch Millionen Menschen. Der Internetnutzer kann die Rolle des Rezipienten oder auch die Rolle des Kommunikators einnehmen. Die Kommunikation findet unabhängig von Raum und Zeit statt. Die Nutzer können gleichzeitig kommunizieren (Chat) oder auch zeitversetzt (E-Mail). Die Kommunikationspartner können sich im gleichen Raum befinden (z.B.) während der Arbeit) oder in unterschiedlichen Ländern. Der Nutzer entscheidet, ob er öffentlich kommunizieren (Internetauftritt, Newsgroup) oder eine Privatsphäre aufbauen möchte (E-Mail, Chat-Separée, Website-Login). Im Gegensatz zur personalen Kommunikation fallen Blinde im Internet nicht auf. Bei der personalen Kommunikation besitzen Blinde Defizite, da sie auf der einen Seite nicht alle nonverbale Botschaften der Kommunikationsteilnehmer wahrnehmen können und des Weiteren unbewusst und ungewollt durch blindenspezifische Verhaltensweisen (Blindismen) nonverbale Botschaften aussenden (siehe Kapitel "Bewegung, Mobilität, Orientierung und nonverbale Kommunikation"). Im Internet hingegen, z.B.) bei E-Mails oder Chats können sich Blinde vollständig in die Internetgemeinschaft integrieren. Neben der Kommunikation steht der gezielte Informationsabruf zur Verfügung. Neben periodisch erscheinenden Informationen (Newsletter) und sekündlich aktualisierenden Nachrichtenseiten steht ein großer Informationspool bereit, mit dem sich keine Bibliothek der Welt messen kann. Vor allem die Suche nach sehr speziellen Informationen wird ermöglicht. Neben kommerziellen Diensten stehen auch Service-Möglichkeiten von Institutionen und Behörden zur Verfügung. Blinde können vom Rechner aus ihr Bankkonto verwalten, Rechnungen bearbeiten oder einkaufen. Auch im Bereich Unterhaltung wird der Nutzer online versorgt (Spiele, Humorseiten). Mit der unteren Tabelle gebe ich einen Überblick.

Potential des Internets im Vergleich zu anderen Medien - Tabelle 1
  Nonverbale Komm. Schriftstücke Zeitung Radio Fernsehen Kassetten
Kommunikation beidseitig einseitig einseitig einseitig einseitig beidseitig
Teilnehmer 2 bis mehrere 2 bis wenige Massen Massen Massen 2 bis wenige
Einschränkungen als Sehgeschädigt. ja ja ja - ja -
Extraanfertigungen notwendig? - ja ja - ja -
Technische Voraussetzungen? - - - gering gering gering
Besondere Fähigkeiten? - Punktschr. Punktschr. - - gering
Akustische Wahrnehmung ja ja ja ja ja ja
Haptische Wahrnehmung nein ja ja - - -
Informationsabruf - teilweise ja ja - -
Informationssuche - schwierig - - - -
Services - weniger - - - -
Unterhaltung ja - ja ja ja -
Privatgebrauch möglich? ja ja ja ja ja ja
Potential des Internets im Vergleich zu anderen Medien - Tabelle 2
  Telefon Telefax (Blista) Mailbox BTX Internet (1994) Internet (2000)
Kommunikation beidseitig einseitig (für Blinde) beidseitig beidseitig beidseitig beidseitig
Teilnehmer 2 bis wenige 2 2 bis mehrere mehrere 2 bis mehrere 2 bis Massen
Einschränkungen für Sehgeschädigt. - ja (beim Empfang) - - - ja
Extraanfertigungen notwendig? - ja - - - ja, teilweise
Technische Voraussetzungen? gering hoch hoch sehr hoch sehr hoch sehr hoch
Besondere Fähigkeiten? - hoch hoch hoch hoch sehr hoch
Akustische Wahrnehmung ja - ja ja ja ja
Haptische Wahrnehmung - ja ja ja ja ja
Informationsabruf - - ja ja ja ja
Informationssuche - - ja (Themengruppen) (700.000 Seiten) ja (wenige Millionen Seiten) ja (hundert-millionen Seiten)
Services ja wenige wenige einige mehrere sehr viele
Unterhaltung - - wenig wenig einige sehr viele
Privatgebrauch möglich? ja ja (teilweise) eher nicht eher nicht nein ja

Abb.06: Potenzial des Internets im Vergleich zu anderen Medien. Wie auch schon bei der BLISTA-Mailbox können über das Internet zwei Personen in intimer Atmosphäre, aber auch Massen von Menschen kommunizieren. Das World Wide Web ist eine gigantische Wissensquelle: Mehrere Milliarden Internetseiten gibt es im World Wide Web. Neben der Informationssuche stehen aber auch Services zu Verfügung. Auch bei der Art der Wahrnehmung wird der Nutzer von einer Vielfalt verwöhnt: Er kann zwischen Akustik und Haptik entscheiden. Allerdings sind die technischen und persönlichen Voraussetzungen im Vergleich zu anderen Medien sehr hoch.